Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)
Harald Schmidt näher. Denn während der EM war ich ja Running Gag bei ihm, als herumspukender Lord Waldi of Mottram Hall.
Harald hatte ich im Jahr zuvor, 1995 , kennengelernt, als er mit seiner Sat. 1 -Show an. Bis dahin hatte ich ihn im Fernsehen nur am Rande wahrgenommen, als er bei uns im Ersten mit großer Liebe und Hingabe den alten Unterhaltungsdamp fer Verstehen Sie Spaß? versenkt hatte. Außerdem erinnere ich mich an eine ARD -Sportlerehrung namens Victoria , die, soweit ich mich erinnern kann, von Gerd Rubenbauer und Carmen Nebel moderiert wurde, was dramatisch klingt – und wohl auch dramatisch war. Jedenfalls hatte dieser Preis nicht lange Bestand. Und dort hat Harald eine Kabaretteinlage geliefert und über die Sportschau und die Typen, die dort arbeiten, einen sensationellen Stand-up geliefert. Ich kam auch vor, als Mitglied des Invalidensturms der Freitagabendsportschau, und dachte mir: So ein frecher Hund, aber leider gut.
Ab Ende 1995 war Harald die große neue Nummer bei Sat. 1 , der deutsche Letterman. Jeder hat von »Dirty Harry« geschwärmt, und ganz Deutschland war heiß wie Frittenfett auf die Sendung. Bloß als Gast wollte niemand hin – vor lauter Angst, von Dirty Harry gegrillt zu werden.
Irgendwann kam dann tatsächlich der Anruf aus Köln, Harald am Telefon. Ich war trotzdem skeptisch, ob ich mich dort dem Meister zum Fraß vorwerfen will. Schmidt beruhigte mich: »Sehen Sie, Herr Hartmann, dann haben Sie bei uns nicht richtig zugeschaut. Bei uns kriegen nicht die was um die Ohren, die in der Sendung sind, sondern nur die, die nicht in der Sendung sind. Die die kommen, werden pfleglich behandelt.«
Also habe ich gesagt: »Okay, ich verlasse mich auf Sie, ich komme.« Und war zum ersten Mal bei ihm in der Harald Schmidt Show . Das war spaßig und okay, aber auch nicht mehr. Trinken waren wir nach der Sendung keinen. Harald machte die Show damals viermal die Woche und meinte, wenn er nach jeder Sendung mit dem Gast einen heben geht, ist er in zwei Jahren tot.
Lord Waldi, der inmitten von Schafen und Wiesen auf Mottram Hall hauste, war nicht der einzige Schnittpunkt zwischen uns: 1997 habe ich Reklame für einen Handytarif gemacht, bei dem die IRA -Karte zusammen mit einem Packerl Gummibärchen verkauft wurde, eine Art Haribofone. Das war ein Riesenflop, wir waren unserer Zeit handymäßig weit voraus. Und es hätte auch keiner bemerkt, wenn Harald diese Werbung nicht genüsslich in seiner Sendung durchgehechelt hätte.
Danach große Empörung und Krisensitzung in der ARD . Mit Heribert Faßbender, mit Wilfried Mohren ( 2009 vom Land gericht Leipzig wegen Vorteilsannahme, Steuerhinterziehung und Betruges zu einem Jahr und elf Monaten Haft auf Bewährung verurteilt) und mit Jürgen Emig ( 2008 vom Landgericht Frankfurt am Main wegen Bestechlichkeit und Untreue zu zwei Jahren und acht Monaten Haft verurteilt). Forderung der versammelten Pharisäer: Waldi muss eine Zeit lang runter vom Bildschirm, denn er hat Werbung für Telefongummibärchen gemacht. Harald und die Folgen. Und wie sie schnurrte, die Empörungsmaschinerie meiner herrlichen Anstalt! Emig, ausgerechnet Dr. Jürgen Emig, der stets geschmackssichere Tango-Korrupti-Tänzer aus Frankfurt, erklärte: »Es geht darum, dass wir uns vor uns selbst schützen. Das hat nichts mehr mit Geschmack zu tun. Das hat mit Stil, Glaubwürdigkeit und Repräsentanz zu tun.« Damit kannte er sich aus, der Doktor. Und Heribert Faßbender ließ mir ausrichten: »Waldi, ich habe mich geschämt. Das war ein Niveau, das ich für Sportschau -Moderatoren nicht akzeptieren kann … Zumindest sollten wir darüber nachdenken, ob er (Waldi) in diesen nächsten sechs Wochen sich eben in der ARD nicht programmprägend zeigt.«
Zu der Zeit der Haribo-Nummer kannte ich Harald Schmidt schon besser. Denn 1996 versackten wir nach der Radiosendung Jahrhundertshow in Stuttgart, bei der der Lange und ich wunderbar Doppelpass gespielt hatten – zusammen mit Elke Heidenreich an einer Hotelbar. Harald wollte nach der Sendung um halb elf ins Bett, seine liebe Freundin Elke scheißt ihn nach Strich und Faden zusammen. Also geht er mit an die Bar, die wir dann um halb drei zugesperrt haben. Es war ein wunderbarer Abend, Elke hat herrliche Schnurren aus ihrem Leben erzählt und uns ihr Herz geöffnet, Harald hat ausführlich von seinen Pickeln berichtet, die ihn plagen.
Gut zehn Jahre später sprach mich ein Mann im Flugzeug an und fragte, ob er mir was sagen darf.
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