Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)
Waldemar Hartmann in der schwäbischen Weltpresse führte. Die ganzseitige Ge schichte, die Roland in der Augsburger Allgemeinen über mich schrieb, trug den schönen Titel: »Der Beatkönig von Augsburg«.
Es lief prächtig. Und dann kam erstmals auch noch das Fernsehen ins Spiel. In der Sporthalle Augsburg fand die ZDF - Show Der Goldene Schuss , statt, die zweite Sendung mit dem neuen Moderator Vico Torriani, nachdem Lou van Burg geschasst worden war. Gäste waren unter anderem der Soulsänger Lou Rawls, Schlagerfee Marion (»Er ist wieder da«), die süße Französin France Gall (»Poupée de cire, poupée de son«) – und, festhalten, die Bee Gees höchstpersönlich! »Spicks and Specks«! »New York Mining Disaster 1941 «! »To Love Somebody«! Und, erstmals in dieser Sendung in Deutschland vorgestellt: »Massachusetts«!
Die Herren aus Australien probten eine Woche lang in Augs burg – unvorstellbar heutzutage, wo solche Superstars für drei Stunden mit dem Privatjet einfliegen und sofort nach dem Auftritt wieder auf der Flucht nach Hause sind. 1967 war das noch ganz anders! Barry Gibb! Robin Gibb! Maurice Gibb! Und der vierte Bee Gee, Vince Melouney, an den sich heute kaum mehr jemand erinnert. Weil ich schon eine Art bunter Hund war in der Stadt, durfte ich bei den Proben zum Goldenen Schuss zuschauen – Wahnsinn, war das cool, die Bee Gees live zu sehen!
Aber es kam noch besser! Denn wer marschierte am gleichen Abend schnurstracks in unser Big Apple? Barry, Robin und Maurice Gibb. Wow! Barry, der Schöne, baggerte sofort meine damalige Verlobte aus Nürnberg an – bis ich an die Bar bin und ihm gesagt habe: Mein lieber Freund Barry, das ist die meine! Aber er war ein guter Verlierer. Jedenfalls saßen Barry und Robin kurz darauf bei mir im DJ -Kabuff, durchkramten meine Plattensammlung – und waren begeistert! Ich hatte die Everly Brothers rauf und runter im Angebot, und die Jungs waren totale Fans der Everly Brothers. »Boah, you got the Everly Brothers! Dürfen wir ein paar Platten auflegen?« Klar durften sie. Also legten Barry und Robin Gibb für mich Platten auf. Und ich bin derweil zu den Amis rausgefahren, um noch mehr Platten von den Everly Brothers zu besorgen.
Man könnte sagen, Big Apple war Kir Royal auf Schwäbisch: In ist, wer drin ist. Irgendwann kam auch die Augsburger Zeitungslandschaft nicht mehr an uns vorbei. Bei mir erschien höchstpersönlich Walter Kurt Schilffarth, bis heute legendärer Verleger und Chefredakteur der Schwäbischen Neuen Presse . Die hatten in ihrem Blatt eine Klatschspalte namens »Night Spots«. Und Schilffarth fragte mich: »Du bist doch eh jeden Abend da. Kannst du mir die schreiben? Das ist besser, als wenn ich irgendjemanden hierherschicke, der sich nicht auskennt und der eh nur die Kellner ausfragt.« Und so waren meine ersten journalistischen Arbeiten Klatschkolumnen für die Schwäbische Neue Presse : »Waldis Night Spots«. Ein früher Michael Graeter. Der war vorher übrigens mein Klatschkonkurrent bei der Augsburger Allgemeinen , bevor er zur Abendzeitung nach München ge gangen ist und lange bevor er als Role Model für Baby Schim merlos diente.
Und so ging es weiter. Im Zuge meines Kolumnenschrei bens schaute ich ab und zu in der Redaktion der Neuen Presse vorbei. Und weil die Kollegen wussten, dass ich fußballnarrisch war, haben sie mich gefragt, ob ich Lust hätte, auch für den Sport zu schreiben. Tagsüber hatte ich ja Zeit – also wurde der Sportreporter Waldi Hartmann erfunden. Schon wieder ein neues Leben für mich.
Abends Disco, High Life im Big Apple. Und tagsüber ganz brav Volontariat bei der Schwäbischen Neuen Presse . Die Dinge nahmen ihren Lauf. Zeugnis habe ich nie eines verlangt. Viele Jahre später, als ich für den Bayerischen Rundfunk meine Bewerbungsunterlagen zusammenstellte, schrieb mir Schilffarth nachträglich eines – das so skandalös gut ausfiel, dass sie sich beim BR gefragt haben müssen: »Warum will der Mann eigentlich Reporter werden? Anscheinend ist der so gut, der muss mindestens Intendant werden.«
Um 1968 herum war ich dann schon wieder auf der Flucht – diesmal nach Wiesbaden, in die dortige neue Dependance meines Arbeitsgebers, ins Big Apple Wiesbaden, das es heute noch gibt. Wieder ein möbliertes Zimmer, wieder neue Eindrücke, wieder neue Frauen – und trotzdem ein Fehler. Ich war verloren, mir hat der Draht zur Stadt gefehlt, den Leuten hat meine Musik nicht gefallen, und mit den Chefs habe ich
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