Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)
der Versicherung war ebenso freundlich wie willig, und eine Woche später bin ich mit meiner Schadensliste nach München gefahren – es ging um etwa 40 000 Mark. Für mich damals ein Heidengeld. Auf die Liste habe ich auch alle Flaschen mit diversen Spirituosen geschrieben, die ich in der Kneipe hatte. Und weil jeder Gutachter seine Existenz dadurch rechtfertigen muss, dass er irgendetwas streicht, hat er mir alles bewilligt – bis auf die Flaschen, 800 Mark für Alkohol. »Der Inhalt von den Flaschen ist ja nicht verbrannt«, hat er gesagt und auf den Tisch geklopft, »die kann man abputzen, dann kann man die wieder brauchen.« Stimmt. Danach gab es in Waldys Club »Waldys Brandwein«.
Die Brauerei hat den Brand aber dazu genutzt, den Club komplett zu renovieren, was vier Monate gedauert hat. In der Zwischenzeit machte ich einen zweiten Laden auf, eine Studentenkneipe namens Bistro mit einer skurrilen Einrichtung vom Trödelmarkt. Der Laden war vom ersten Tag an der absolute Renner, ich habe 45 Hektoliter Bier im Monat verkauft. Einer meiner Mitarbeiter war ausschließlich als Pils zapfer beschäftigt. Leider war das erste Vierteljahr auch das letzte Vierteljahr. Dann hat das Ordnungsamt das Bistro wegen zunehmender Beschwerden aus der Nachbarschaft zugesperrt. Ich hatte zu viele Gäste, und vor allem hatte ich zu laute Gäste.
Ergebnis: aufgrund guten Geschäfts geschlossen! Das erinnert mich an die elende Nichtraucherdiskussion der letzten Jahre. Als Wirt wäre ich Amok gelaufen, hätte man mich als Unternehmer derart zu knebeln versucht. Als Wirt drangsaliert dich das Ordnungsamt, die Brauerei, das Gesundheitsamt, die Berufsgenossenschaft – und dann schreibt dir die Politik auch noch vor, dass deine Gäste nicht rauchen dürfen. Für mich ist das eine diktatorische Maßnahme ersten Ranges, ein Unding! Das habe ich dem Söder Markus auch einmal so gesagt. Wenn ich noch Wirt gewesen wäre, hätte ich mich an die Spitze der Bewegung gegen das Rauchverbot gestellt. Und dagegen hätten die tatsächlich stattgefundenen Proteste wie ein Kindergeburtstag gewirkt, da wäre mir schon was eingefallen.
Herrschaftszeiten, in den meisten anderen Bundesländern ist zumindest drin, dass der Wirt draußen ein Schild aufhängen kann: »Hier wird geraucht« oder »Hier wird nicht geraucht«. Und der Gast kann dann als freier Mensch entscheiden, wo er hingeht – zu den Rauchern oder zu den Nichtrauchern. So einfach könnte das Leben sein. Ich kapiere nicht, warum das in Bayern nicht möglich ist. Lasst den Leuten doch wenigstens noch ein bisserl individuelle Freiheit im Freistaat!
Eine weitere Störung meines Kneipenglücks folgte auf dem Fuß: Vater Staat rief nach Waldi. Bundeswehralarm! Bis dahin war ich nie erfasst worden, weil ich ständig in Deutschland auf Achse war. Die haben nie gewusst, wo ich mich gerade herumtreibe, ich war ja nie irgendwo polizeilich gemeldet. Und wenn sie bei meiner Mutter nachgefragt haben, hat sie wahrheitsgemäß gesagt: »Keine Ahnung, wo der Bub ist.«
In Augsburg hat mich der Bund dann aber aufgestöbert – denn zur Eröffnung einer Kneipe gehört nun mal eine Menge Papierkram, ich musste quasi sesshaft werden. Plötzlich existierte ich für die Bürokratie. Und das Wehrbereichskommando VI war scharf auf mich. Als die Erfassung im Briefkasten landete, war ich noch ganz locker: Hey, ich bin gerade jung verheiratet und werdender Vater, bin Unternehmer, die holen mich nie. Ein Anwalt, den ich kannte, beruhigte mich ebenfalls: Lächerlich, mach dir keine Sorgen. Also schrieb ich dem Wehrbereichskommando VI zurück, dass das Vaterland aufgrund der beschriebenen Umstände schweren Herzens auf mich verzichten müsse.
Regierungsrat Bonfig – aus irgendeinem Grund erinnere ich mich bis heute an den Namen – sah das aber anders und bestand auf meiner Pflicht zur Wehrpflicht. Ich hatte das Gefühl: Der wollte einem Augsburger Wirt, der mittlerweile öfter in der Zeitung stand und nicht ganz dumm daherredete, zeigen, wo der Bartel den Most holt. Vielleicht zu seiner persönlichen Befriedigung. Der hat wahrscheinlich gedacht, da kommt ein millionenschwerer Nachtclubbesitzer, den greif ich mir. Offenbar hat ihn nicht gestört, wie teuer das wird. Mein Anwalt hat ihm nämlich haarklein ausgerechnet, wie viel die Bundeswehr für den Geschäftsführer zahlen muss, der mich während meiner, sagen wir, ur laubsbedingten Abwesenheit, vertritt. Das waren im Monat an die 5000 Mark für Soldat H.
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