Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)
Medienschaffender: »Wo kämen wir denn hin, wenn wir das Programm für die Leute machen?«, galt nie für Franz Schönhuber.
Der Mann hatte ein unglaubliches Gespür für die Themen, die den Leuten auf dem Herzen lagen, auch als Chefredakteur der Münchner Boulevardzeitung tz – und später eben auch als Vorsitzender einer unseligen politischen Partei. Stammtischhoheit, Straßenthemen. Und: Was denkt der Taxifahrer? Das war Franz Schönhuber, als Journalist und später auch in der Politik. Aber als Journalist gefiel er mir weitaus besser.
Eine meiner schönsten Rundschau -Geschichten will ich hier nicht vorenthalten (wie Frank Elstner sagte: »Das musst du irgendwann alles erzählen«): Ich habe die einzige aufgezeichnete Nachrichtensendung in der Geschichte des deutschen Fernsehens moderiert.
Es ist ja so, dass von den zehn Geboten des Fernsehens das erste Gebot lautet: Nachrichten sind live. Es könnte ja zwei Minuten vor der Sendung ein Flugzeug abstürzen. Und Nachrichtensendungen on demand waren vor dreißig Jahren im Sendeplan noch nicht vorgesehen. Das mit den Livenachrichten hat sich auch durchaus bewährt im Weltfernsehen, es fördert die Aktualität sehr. Nur an einem Tag, es muss im Frühherbst 1983 gewesen sein, hatte ich damit ein Problem.
An diesem Abend nämlich veranstaltete der Bayerische Rundfunk auf dem Oktoberfest eine große Jubiläumsfeier mit allen Schikanen, mit Bier, Hendl und großem Programm – sogar Gerhard Polt und Dieter Hildebrandt, die unumstrittenen Lieblingskabarettisten des Bayerischen Rundfunks, sind aufgetreten. Der Sender in Freimann war schon am späteren Nachmittag verwaist, und am Abend sollten alle auf der Wiesn sein. Bloß der Hartmann nicht. Der war nämlich als Rundschau -Moderator eingeteilt. Beziehungsweise als DvD, als Depp vom Dienst. Erste Ausgabe war von 18 . 45 Uhr bis 19 . 00 Uhr, die zweite von 20 . 45 Uhr bis 21 . 00 Uhr. Da war einfach auszurechnen: Bis wir vom Rundschau -Team draußen auf der Theresienwiese aufschlagen, ist die Gaudi längst vorbei.
Vielleicht war das doch keine so gute Idee mit dem ersten Gebot und mit den Livenachrichten. In der Kantine haben schon alle »Höhöhö« gemacht. Motto: »Und, derfst ned auf d’Wiesn, Waldi? Mei, du armer Kerl.«
Dabei habe ich damals schon gewusst, ein knappes Vierteljahrhundert vor Oliver Kahn: Auf der Bierbank ist’s doch am schönsten. Viel schöner als im Rundschau -Studio.
Irgendwann hat es mir so gestunken, dass ich zu meinem Regisseur gesagt habe: »Merkst du’s? Wir haben die Arschkarte gezogen. Aber nicht mit mir. Weißt du was? Die zweite Rundschau -Ausgabe zeichnen wir auf, gleich nach der ersten. Dann sind wir um acht auf der Wiesn und haben unsere Gaudi.«
»Spinnst du? Du kannst doch keine Nachrichtensendung aufzeichnen.«
»Ich schon. Ich verfolge den ganzen Tag die Nachrichtenlage, da ist null los. Und Flugzeuge stürzen heute auch keine mehr ab, das spür ich ganz deutlich.«
Und dann habe ich mich so richtig in den Gedanken verliebt. Das war eine feine Idee! Also habe ich das ganze Team aufgescheucht, das sich immerhin aus drei BR -Abteilungen zusammengesetzt hat: »Wir sind uns alle einig, wir zeichnen die Rundschau 2 heute auf.« Dabei war ich der Einzige, der sich einig war – und zwar mit mir selber. Zum CvD, zum Chef vom Dienst, habe ich frech gesagt: »Sie werden eh bald pensioniert, Ihnen kann doch überhaupt nichts mehr passieren.«
Am Ende hatte ich alle beieinander, und wir haben aufgezeichnet. Wir mussten nur aufpassen, dass die Studiouhr die richtige Zeit zeigt – also die falsche. Hat alles prächtig funk tioniert. Die richtige falsche Uhrzeit, die handelsüblichen Zeit rafferwolken vor blauem bayerischem Himmel, wie immer halt beim Bayerischen Rundfunk, dann Hartmanns beinahe aktuelle Weltnachrichten. Wunderbare Lösung. Leider ohne Happy End.
Nach der Aufzeichnung sind der Regisseur und ich direkt auf die Wiesn. Im Auto abgeschminkt, der Fahrer hat direkt vor dem Zelt gehalten. Riesengaudi, Polt und Hildebrandt so gut wie selten. Und von den anwesenden Sendergroßkopferten wusste Gott sei Dank ohnehin keiner, dass der kleine Hartmann jetzt eigentlich in Freimann Fernsehen machen müsste. Aufregung gab es nur, weil der Bayerische Rundfunk aus Versehen vergessen hatte, Franz Schönhuber auszuladen – der war zwar schon rausgeschmissen, hatte aber noch seine Einladung. Um den Hartmann hat sich kein Mensch gekümmert.
Es gab bloß ein Problem, und zwar ein
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