Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)
raten. Also bin ich rein ins Studio: »Heribert, der Typ jetzt gleich: Das ist gar nicht Tommy Moe, das ist nur die Bronzemedaille, und die heißt Ed Podivinsky. Und der ist eigentlich viel interessanter als der andere.« Das war zwar faustdick gelogen, aber Heribert war trotzdem sehr dankbar für diese hilfreiche Information. Wir haben also Teamgeist bewiesen, und Fassi hat das gut gemacht, fünf Minuten lang mit blumigen Worten daran vorbeigeredet, dass der Herr Olympia sieger leider keine Zeit für das Erste Deutsche Fernsehen hatte.
Wobei: Interessant wäre es trotzdem gewesen, wie das Gespräch mit einem Tommy Moe gelaufen wäre, der gar nicht Tommy Moe war. »Mr. Moe, wie fühlen Sie sich nach so einem Triumph?« – »Gut, außer dass ich gar nicht Tommy Moe bin.«
Vier Tage nach Tommy Moe kam Wasi. Bei der Abfahrt war er Sechsunddreißigster geworden, nur wenige Teilnehmer waren noch lang samer als er. Selbst der wunderbare Partyprinz Hubertus von Hohenlohe landete bloß zwölf Plätze hinter Wasi. Die Zeitungen daheim riefen ihn schon, auf gut Deutsch gesagt, zum Deppen der Nation aus. Bild echauffierte sich: »Wasi, und du lächelst noch?« Nach diesem Fiasko sind wir zu Wolfi Hösl ins Biathlon-Stüberl, Wasi, eine Handvoll weiterer Seelentröster und ich. Dort haben wir ein bisserl was getrunken und Wunden geleckt bis nachts um zwei oder halb drei. Und beim Rausgehen sagt der Wasi: »Ich sag euch eines: Ich gewinn hier noch ein Gold. Und dann kommen wir noch mal her.« Diese Sätze werde ich nie vergessen.
Wobei der Wasi nicht ganz recht behalten hat mit seiner verwegenen Prognose: Er hat nicht ein Gold gewonnen, er hat zwei Gold gewonnen. Nach der ersten Goldenen im Super-G war er der absolute Held. Nach der noch sensationelleren zweiten Goldenen im Riesenslalom war er der Superstar. Rosi reloaded und wiedergeboren, in Gestalt eines blonden Schlierseers. Mein Gott, können die feiern, die Skifahrer! Und Wasi hat danach die beste Entscheidung seines Lebens getroffen und sofort mit dem Skifahren aufgehört. Denn besser konnte es nicht mehr werden. Später, als ARD -Experte, war’s dann nicht mehr ganz so lustig mit Wasi. Er ist ja am Anfang als wandelnde Litfaßsäule vor die Kamera mit tausend Sponsorenlogos auf seinem Anorak. Und war er nicht im Bild zu sehen, war es die Höchststrafe für ihn, denn dann waren seine Sponsoren nicht zufrieden. Und wer war schuld, wenn Markus Wasmeier nicht im Bild war? Im Zweifel immer der Waldi …
Weniger glücklich war in Lillehammer die Bandwurmbiathletin Simone Greiner-Petter-Memm, die als Schlussläuferin einen praktisch uneinholbaren Vorsprung der deutschen Staffel verballerte. Bis heute ein legendäres Rennen. Die arme Frau traf am Ende nichts mehr, musste völlig entnervt sechs Strafrunden laufen, und es reichte nur zu Silber. Ich weiß noch, ich habe das Zimmer in meiner Pension mit einer todsicheren Goldmedaille verlassen, habe mich schon auf die jubelnden vier Mädels in Studio gefreut – und als ich dort angekommen bin, haben alle nur fassungslos auf den Fernseher geschaut. Ja gibt’s denn des? In so traurige Gesichter von Silbermedaillengewinnern habe ich nie mehr geblickt.
Atlanta 1996 war nichts Besonders – allein schon weil Coca-Cola-City nicht gerade eine Augenweide ist. Ich habe nie eine Stadt mit so vielen Taxifahrern aus aller Welt erlebt, die nur für die Spiele angereist waren – und dann völlig orientierungslos nach Stadtplan durch die Gegend irrten. Mit Folgen: Ein iranischer Ringer, ein Gold-Favorit, konnte nicht antreten, weil der Fahrer den Weg vom Olympischen Dorf in die Halle nicht gefunden hat. Es waren Spiele zum Vergessen, und wenn als nachdrücklichstes Ereignis aus deutscher Sicht die Silbermedaille von Frank Busemann im Zehnkampf in Erinnerung bleibt, kann es nicht so toll gewesen sein. Busemann, ein absoluter Strahlemann, wurde dann sogar als Zweiter »Sportler des Jahres«. Und Lars Riedel ging als Diskus-Olympiasieger leer aus. Lars war stocksauer, worauf ich mir einen blöden Spruch nicht verkneifen konnte: »Du mit deinem Tellerweitwurf. Hättest dir halt eine anständige Sport art ausgesucht!«
Nagano 1998 soll angeblich auch stattgefunden haben. Recht viel mehr muss man dazu nicht sagen. Das Wetter in Japan war furchtbar, die Rennen sind ständig ausgefallen, und wegen der Zeitverschiebung hat kein Mensch zugeschaut. Wer drei Tage hintereinander um vier Uhr in der Früh aufsteht, um ein Skirennen zu schauen, dass
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