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Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)

Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)

Titel: Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldemar Hartmann
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dann jedes Mal abgesagt wird – der bleibt sogar als größter Wintersportfan irgendwann im Bett. Schade drum – denn unsere Skifahrerinnen haben abgeräumt wie nie. Zweimal Gold für Katja Seizinger in der Abfahrt und der Kombination, Gold für Hilde Gerg im Slalom. Bloß mitgekriegt hat es keiner.
    Das Aufregendste an Nagano waren für mich die innen politischen Begleitumstände beim Bayerischen Rundfunk. Die »Frau-beißt-Mann«-Episode mit meiner damaligen Chefin Marianne Kreuzer.
    Was war passiert? Ich habe Marianne in meiner Eigenschaft als Redaktionsleiter 1992 selbst zum BR geholt, als feste freie Mitarbeiterin. Marianne war kompetent, freundlich, aus Bayern, da hat alles zusammengepasst. Sie hatte ihren Platz nicht wegen der Frauenquote. Marianne war teamfähig, hat auch gerne mal einen Schoppen Wein mitgetrunken, sie hat unserem Laden gutgetan. Ein paar Jahre später, 1997 , traf ich meine Entscheidung, die Redaktionsleitung aufzugeben und in Zukunft als freier Mitarbeiter für den BR zu arbeiten. Die Nachfolge war eigentlich klar, die Anstaltsleitung hielt Lambert Dinzinger für die perfekte Lösung. Es gab überhaupt keine Diskussionen. Und auf die interne Ausschreibung bewarb sich außer Lambert auch keiner. Zunächst.
    Dann passierte Folgendes: Als wir am 1 . Februar 1998 am Flughafen in München standen, um zu den Olympischen Winterspielen in Nagano zu fliegen, kam in aller Herrgottsfrüh um sieben ein blasser und aufgelöster Lambert Dinziger auf mich zu: »Stell dir vor, Marianne hat sich gestern Abend mit Einsendeschluss um deine Nachfolge beworben.« Na, pfiat di Gott! Wir konnten es alle überhaupt nicht glauben. Denn darüber geredet hatte sie im Vorfeld mit niemandem.
    Sportchef Eberhard Stanjek glaubte zunächst sogar, ich würde mit Marianne unter einer Decke stecken – rein beruf lich, versteht sich. Die BR -Fernsehsportredaktion wollte zwar immer noch Lambert – aber nach zwei, drei Tagen in Japan erklärte mir Eberhard: »Beim BR gilt seit Jahresanfang das Gleichstellungsgesetz. Und wenn du gleichwertige Bewerber hast, steht in dieser Vereinbarung, muss (und nicht kann! ) die Frau vorgezogen werden.« Was das mit Gleichstellung zu tun hat, ist mir allerdings bis heute nicht klar.
    So kam es, dass meine ehemalige Hospitantin auf einmal meine Chefin war. Womit ich grundsätzlich kein Problem hatte. Aber der Weg dahin, dieses Vorgehen aus dem Hintergrund, hat mich gestört. Und irgendwann hat die neue Chefin vielleicht in einem schlauen Buch gelesen, wie sich neue Chefs am besten profilieren können – indem sie den alten Leithirsch absägen. Wenn der erst erledigt ist, gehen alle anderen eh vor lauter Angst auf Tauchstation. Und öfter vor die Kamera, dorthin, wo ich bislang war, schien sie ohnehin zu wollen – aus ihrer Sicht dürfte also alles gut zusammengepasst haben. Deshalb war ich auf einmal inkompetent und zu alt für den alpinen Skisport. Sie wollte mich anscheinend weghaben vom Bildschirm. Ich habe nur zu ihr gesagt: »Marianne, jetzt geht es um meinen Job. Du hast dir den falschen Gegner ausgesucht.«
    In der Folge hat die ganze Auseinandersetzung zu einem aufs Notwendigste reduzierten Sprechverkehr zwischen uns geführt. Funkstille im Fernsehstudio Freimann, aber mit viel medialem Gedöns. Marianne und ich haben uns lange Zeit ausdauernd angeschwiegen. Mittlerweile ist aber alles wieder in Ordnung, heute haben wir ein völlig entspanntes Verhältnis. Es ging mir ja auch nie um ihre Kompetenz, sondern immer nur um die Art und Weise, wie sie zur » TV -Chefin« wurde. Marianne sagt selbst, dass sie rücksichtsvoller hätte vorgehen können. Damit war für mich der »Kas biss’n« und das Thema erledigt. Frau biss Mann, Mann biss zurück – Ende.
    Als ich mich damals öffentlich in einem Spiegel -Interview über diese merkwürdige Gleichstellungspolitik des BR aufgeregt habe, hat mir die sendereigene Gleichstellungsbeauftragte Maria Kalaç einen freundlichen Brief geschrieben, den ich bis heute aufgehoben habe:
    »Lieber Herr Hartmann, Sie beklagen, dass Männer keinen Gleichstellungsbeauftragten haben. Nach meinen Informationen werden zum Beispiel von der nächsten Skiweltmeisterschaft ausschließlich Männer berichten. Dreizehn an der Zahl. Mein Wort: Sollte sich eines Tages beim BR abzeich nen, dass über sportliche Großereignisse ausschließlich Frauen informieren, unterstützt von einem einzigen Mann als Sekretär, wird sich die Gleichstellungsbeauftragte

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