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Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)

Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)

Titel: Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldemar Hartmann
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selbstverständlich für kompetente Männer einsetzen.«
    Zur Entschädigung für das wenig anregende Nagano fanden zwei Jahre später in Sydney die für mich schönsten Sommerspiele statt. Stadt, Leute, Wetter, alles war dermaßen toll! Neben vielen herrlichen Tagen ist mir aber auch ein Shitstorm in Erinnerung geblieben, den ich erleben durfte beziehungsweise musste. Wir übertrugen einen Judokampf im Superschwergewicht der Frauen zwischen der Deutschen Sandra Köppen, die mit ihren 135 Kilo keine ausgesprochen zierliche Erscheinung war, und einer noch weniger grazilen Dame.
    Dieser Kampf lief live bei uns im Ersten – denn sonst war tote Hose zu diesem Zeitpunkt in Sydney. Das ist Alltag in jedem Olympia- TV -Studio: Mal hast du fünf Sensationsentscheidungen auf einmal – und mal hast du gar nix. So kommt beispielsweise Curling alle vier Jahre bei Winterspielen zu episch langen Sendezeiten, weil halt sonst gerade nix läuft. Und so ist auch Beachvolleyball bei den Sommerspielen 2000 berühmt geworden, das vorher keinen Menschen interessiert hat. Doch in Sydney war Beachvolleyball grandios: Strandkulisse am Bondi Beach, langhaxige blonde Australierinnen im Bikini, Riesenstimmung – ich war sofort Fan dieser herrlichen Sportart!
    Aber zurück zum Judo. Frau Köppen durfte auf die Matte, auch wenn das sportliche Wirken der Judoka die Nation im Allgemeinen nur sehr überschaubar in Atem hält. Und nach dem Kampf habe ich gesagt: »Wenn die beiden gemeinsam in einer Küche zum Kochen stehen, wird’s aber eng mit dem Platz.« Damit habe ich eine Bemerkung zur Körperfülle der beiden Judokas leichtfüßig-elegant mit einem Schuss Frauenfeindlichkeit verbunden – was gar nicht meine Absicht gewesen war. Wütende Protestbriefe an die ARD -Zuschauerredaktion waren mir trotzdem sicher, genau wie eigentlich die »Saure Gurke« 2000 – aber irgendwer muss im Laufe des Jahres einen Spruch rausgehauen haben, der Alice Schwarzer noch saurer aufgestoßen ist. Und ich bleibe trotzdem dabei: Schön ist das nicht, wenn Frauen Schwergewichtsjudo oder Gewichtheben betreiben, und diese Meinung lasse ich mir auch nicht nehmen. Dafür hat der Herrgott das schönere Geschlecht nicht geschaffen. Zum Beachvolleyball schon eher.
    Shitstorm Nummer zwei, falls es so etwas im Vor-Facebook-Zeitalter schon gab, brach über mich herein, nachdem ich über unsere in Sydney beeindruckend erfolglosen deutschen Schwimmer gesagt habe: »An den dunkelblau eingefärbten Bahnen erkennen Sie, wo die Badegäste die Füße ins Wasser halten.« Ui, da war aber was geboten! Sogar die Frau von Sven Ottke, eine ehemalige Schwimmerin, hat einen bitterbösen Brief ans Erste geschrieben, wie sie mir später erzählte.
    Seit Sydney schaue ich mir übrigens kein Feuerwerk mehr an. Während der Schlussfeier stand ich nämlich im Hafen von Sydney auf dem Oberdeck der MS Deutschland , auf persönliche Einladung des Kapitäns, mit einem Glas Champag ner in der Hand und einem Glas Wodka in unmittelbarer Reich weite. Ein traumhaft warmer Abend, vor uns die Harbour Bridge und die Oper, um uns herum millionenteure Yachten mit Hubschrauberlandeplätzen und schönen Frauen auf den Decks. Dazu dieses überwältigende Feuerwerk, perfekt choreografiert, exakt parallel auf beiden Seiten der Brücke. Da wusste ich: Waldi, recht viel besser kann es nicht mehr werden. Obwohl, das Feuerwerk in Peking 2008 war ebenfalls nicht übel. Aber die Chinesen haben das ja auch erfunden.
    Winter 2002 in Salt Lake City – das waren tolle Spiele in einer wunderbaren Winterlandschaft, super organisiert. Und mit den besten Steaks meines Lebens im Utah Steakhouse, in das uns der Kollege Ben Wett entführt hatte. Keine Ahnung, ob das am Salz von den Salzseen liegt, an dem es in Utah ja nicht mangelt – aber solche Steaks habe ich vorher und nachher nicht mehr gegessen. An was ich mich auch noch erinnere: Alle hatten Angst vor diesen Spielen, wegen 9 / 11 , das sich nur wenige Monate davor ereignet hatte. »Hoch sicherheitstrakt Olympia« stand vorher in den Zeitungen, mit Kontrollen, Polizeipräsenz und Terroralarm wie nie. Und die Wahrheit war: Die Amerikaner haben das perfekt gelöst, ohne jede Hysterie, völlig entspannt und freundlich. Auch das lernt man nach einigen Jahren als Berichterstatter bei Olympia oder bei Fußballgroßereignissen: Glaub nie daran, was im Vorfeld in den Zeitungen oder im Internet steht – alles Käse, alles maßlos übertrieben und vor allem alles reichlich

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