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Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)

Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)

Titel: Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldemar Hartmann
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gehört er in die Sportschau -Stammelf.«
    Bloß mein eigener BR -Indentant Thomas Gruber sprang mir kraftvoll ins Kreuz, Motto: Was im aktiven Sportbetrieb ein bewährtes Verfahren ist, wenden wir bei Waldemar Hartmann an. Er hat überzogen und deswegen jetzt die Chance, auf der Ersatzbank nachzudenken. Bild -Wagner hat mir natürlich auch einen Brief geschrieben: »Es ist eine Ehre, von diesem hilflosen Haufen ARD suspendiert zu werden. Geliebter Waldi – Sie sind der Stadionduft der Bratwurst, Sie sind die Montagsdemonstration der Südkurve, Sie sind das dritte i des Fußballs – Rudi, Klinsi, Waldi. Ohne Sie ist jedes Spiel wie Stromausfall. Lassen Sie uns beide hoch erhobenen Hauptes ein Weißbier trinken!« Danke, geliebter Franz Josef – aber seit wann siezen wir uns?
    Zum gleichen Zeitpunkt kochte auch noch die Korruptionsgeschichte um HR-Sportchef Jürgen Emig hoch. Was für ein Getöse! Die Anstalt hatte schon ruhigere Zeiten gesehen. Und dann ging beim Bundesligaauftakt in Bremen, den die ARD live übertrug, auch noch das Licht aus – was für ein schönes Bild für den damaligen Zustand des ARD -Sports!
    Dass das Flutlicht ausfiel, weil irgendein Bodo mit dem Bagger ein Stromkabel aus der Erde gerissen hatte, dafür konnte nicht einmal die Anstalt was. Dafür, dass sie kein vernünftiges Ersatzprogramm zur Hand hatte, dagegen schon. Statt die Panne souverän zu überbrücken (es muss ja nicht so brillant sein wie Marcel Reif und Günther Jauch 1998 beim Torfall von Madrid), lief ein dilettantisch zusammengestückeltes Notprogramm mit Schlagern von Bernd Clüver und Vicky Leandros. Sogar ein Spielfilm wurde gezeigt – und gleich wieder ausgeblendet. Es dauerte geschlagene fünfzig Minuten, bis sich mit Thomas Roth ein Journalist des Ersten Deutschen Fernsehens auf dem Bildschirm blicken ließ, um den Zuschauern zu erklären, was Sache war. Als das Spiel begann, übertrugen wir per Handkamera, und Gerhard Delling kommentierte vom Handy aus. » ARD torkelt durch Panne«, »Dilettanten-Stadl im Ersten«, spotteten die Zeitungen. Immerhin, die Quote war gut. 22 , 1 Prozent Marktanteil haben gezeigt, dass es nicht immer auf die Qualität einer Übertragung ankommt.
    Fazit: Nach Hartmann vs. Boßdorf, nach Emig und nach Stromausfall war die Stimmung in der Anstalt überschaubar gut. Und dann erschien am Montag darauf auch noch der Focus mit der Geschichte »Die Chaos-Tage der ARD «. Unterzeile: »Intrigen, Korruptionsvorwürfe, Durcheinander: Der Sport im Ersten steckt trotz Olympia-Euphorie in seiner größ ten Krise«. Das war die Krönung. Ein Menschenopfer musste her. Und das war ich.
    Der Große Vorsitzende Dr. Günter Struve war in Urlaub gewesen, den ersten Tag zurück, genau an diesem Montag, und er ruft mich an. Der Mann war so geladen, es rauchte regelrecht durchs Telefon: »Ich komme gerade aus dem Urlaub zurück! Auf meinem Schreibtisch liegen viele Zeitungsausschnitte! Und aus allen Artikeln schauen Sie mir entgegen! Und ich sage Ihnen jetzt eines: Sie sind suspendiert! Und ich sage Ihnen noch eines: Klagen Sie ja nicht dagegen, es gibt Musterprozesse zu so etwas.« Man müsste das eigentlich in Großbuchstaben drucken, um es authentisch wiederzugeben. Der Doktor hat getobt und mich mit einem Wortschwall enthauptet, wie ich ihn noch nie erlebt habe.
    Als ich zwischenzeitlich kurz zu Wort kam, habe ich gesagt: »Doktor, Sie werden mir jetzt erklären, warum ich suspendiert bin. Meinen Sie, ich habe den Stecker in Bremen rausgezogen? Und ich habe Emig geschmiert?« Struves Antwort, neuer Rauch aus dem Telefonhörer: »Das ist mir scheißegal! Sie ziehen öffentlich her! Und heute steht dann auch noch im Focus , dass wir Chaos-Tage haben! Ich suspendiere Sie JETZT! Und dann höre ich sechs Wochen nichts von Ihnen und sehe nichts von Ihnen! Ich nehme Sie öffentlich nicht wahr! Danach können wir darüber reden, dass Sie in alte Rechte zurückkehren.« Das war ja immerhin schon mal was. Ein Funken Hoffnung. Sechs Wochen im Fernsehexil wie Napoleon auf Elba und dann vielleicht die triumphale Rückkehr in die Glotze. Wobei: Das musst du erst mal einem Mann glauben, von dem die Hälfte der ARD behauptet, er sei ein gnadenloser Killer.
    Und was hatte ich angestellt? Bild hatte mich angerufen und gefragt, was ich davon halte, dass sie mir von meinen mageren drei Minuten in der Sportschau auch noch eineinhalb wegnehmen. Was soll ich denn da antworten? Soll ich sagen: »Finde ich gut, klasse

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