Drop City
Riesenspaß. Sie waren die Frauen. Die Seele und das Fundament des Unternehmens. Und wie er so in der Küche saß, den Regen ans Fenster klopfen und die Suppe auf dem Ofen brodeln hörte und die Stimmen der Frauen ein Netz in der Luft bildeten, bekam Marco unwillkürlich das Gefühl, daß letzten Endes alles funktionieren würde.
Es war Spätnachmittag, und es regnete noch immer, als die Hunde die Köpfe vom Boden hoben und die Ohren spitzten – ein Fahrzeug kam die Einfahrt hinauf, ein ziemlich großes, man hörte das Rumpeln von Rädern, vielleicht sogar Ketten, und das stotternde, fremde Keuchen eines Dieselmotors. Marco saß immer noch in der Küche, mit einem Buch am Fenster, er fühlte sich etwas beengt und fehl am Platz, aber auch nicht in Stimmung dazu, zurückzugehen und den Rest des Tages in seinem tropfenden Baumhaus auf dem pitschnassen Schlafsack zu hocken. Er langweilte sich. Konnte es nicht erwarten, sich um Einzelheiten zu kümmern, die Show auf Tournee zu bringen – Alaska, Alaska oder gar nichts, und er sah es schon vor sich, ein Blockhaus auf einer Lichtung, mit Blick über einen breiten, trägen Fluß, der so voller Lachse war, daß man auf ihren Körpern zur anderen Seite hinüberwandern konnte, und dann die Elche – Elche in flachen Tümpeln, die Schaufeln mit Pflanzenresten dekoriert. Aber es regnete, er hatte ein Buch, und er fuhr nirgendwohin. Was die übrigen anging, so hatte sich die Besetzung des Stücks leicht verändert – am Ofen stand jetzt Reba und schmorte Gemüse für die Suppe, und Alfredo kauerte vor einer Patience, während Che und Sunshine ständig zur Tür hinein- und wieder hinausrannten, in einer Hektik, die man Fangen oder Versteck oder Gestalttherapie nennen mochte. In einer Ecke legten Star und Merry Sachen zu Stapeln zusammen – sechs Teekannen, brauchen wir wirklich sechs Teekannen? – und Maya packte gemächlich, mit der grimmigen, undurchschaubaren Miene eines Zuchthäuslers, Einweckgläser in einen Pappkarton. Das Licht war ein grauer Balken. Alles lief ganz langsam ab.
Doch jetzt waren die Hunde auf den Beinen, klackerten auf ihren harten schwarzen Krallen über den Boden. Freak bellte los, dann fiel Frodo mit ein, und alle dachten dasselbe – die Bulldozer kommen! »Oh, Scheiße«, sagte Alfredo, und sein Kopf fuhr hoch wie von einer Schnur gerissen. Reba warf ihm einen entsetzten Blick zu. »Das kann doch nicht sein«, sagte sie, »noch nicht. Norm sagte doch Freitag, oder?« Marco legte sein Buch weg, ohne die Seite zu markieren – Forellenfischen in Amerika , einer der Bände, die Star gestern seltsamerweise im Laub begraben hatte, und er kapierte nicht einmal ansatzweise, was ihr da eingefallen war –, dann rannte er zur Tür hinaus, die Stufen hinunter und auf das Schlachtfeld des Gartens.
Zuerst hörte man nur den Lärm, ein malmendes, mechanisches Herannahen, das an Herz und Hirn nagte, bis er nicht mehr wußte, ob er standhalten oder abhauen sollte, und was würde er ihnen sagen, was würde er unternehmen, wenn sie das alles hier in Stücke rissen? Er bohrte die Zehen in die Erde, hörte, wie sich die anderen auf der Veranda versammelten. »Die können doch nicht einfach hier reinfahren, oder was?« – das war Rebas Stimme, die sich gepreßt hinter ihm erhob. Man sah etwas Gelbes aufblitzen – grellgelb wie scharfer Senf –, und etwas bewegte sich hinter den Bäumen an der Straße, und das war kein Bulldozer, dafür war es viel zu groß, viel zu gelb ...
Es war ein Bus. Ein Schulbus. Und am Steuer saß Norm, der schlaflose Norm, aufgepeitscht von Amphetamin und schwarzem Kaffee, der Wildleder-Cowboyhut war bis zu dem zerbrochenen Gestell seiner Brille hinuntergezogen, und auf seinem Schoß saß Premstar wie die Puppe eines Bauchredners. Die Gangschaltung knirschte, die mächtige Schnauze des Busses schwang zum Haus herum und arbeitete sich durch den Schlamm, während der Regen die beiden langen glänzenden Fensterreihen in einen glatten Schleier hüllte. Man hörte das Zischen der Luftdruckbremsen, ein verläßliches Schmatzen, und dann stand der Bus bullernd vor ihnen, als brauchten sie nur noch ihre Ranzen und Schulbrote zu nehmen und einsteigen.
Mit einem Seufzer klappte die Tür auf, und Premstar, die ehemalige Miss Watsonville, mit ihren festen, prallen Brüsten und den vollkommenen Beinen, entstieg dem Bus, ein unsicheres Lächeln kräuselte ihre Lippen. Sie hatte weißen Lippenstift und blauen Lidschatten aufgelegt und trug
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