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Drop City

Drop City

Titel: Drop City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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hochhackige Stiefel, die ihr bis über die Knie reichten. Marco sah wie gebannt zu, wie sie geziert durch den Dreck stapfte, sich das Haar aus dem Gesicht strich und zu ihm aufblickte. »Wir haben einen Schulbus besorgt«, sagte sie mit ihrer kieksigen Stimme, und dabei hätte sie ebensogut von einer Einkaufsfahrt wegen Klopapier reden können, »ich und Norm.«
    Norm zog die Handbremse und kam hinter ihr die Stufen runter, der Bus schüttelte sich im Leerlauf, und der Gestank nach Diesel durchzog die Luft. Der Regen sprenkelte Norms Hut und seine Fransenjacke, die Tropfen dunkel wie Blut auf dem honiggelben Wildleder. Sein Blick wirkte müde. Der Regen ließ ihn zusammenzucken. »Los doch«, sagte er und hob den Arm, »seht euch das Ding mal an. Es ist ein 1963er Crown, für einundneunzig Fahrgäste, und so ein Ding kann man kriegen, wenn man richtig Glück hat und richtig schlau über einen Eins-zu-eins-Tausch gegen einen leicht verbeulten, fast-wie-neuen 1970er VW-Bus verhandelt, wenn ihr versteht, was ich meine.«
    Auch Alfredo stand jetzt draußen im Regen, und neben ihm stand Reba; Star trat heran und schlang Marco einen Arm um die Hüfte. Alle grinsten, während Premstar die Treppe zur Veranda hinaufging und Norm weiter bei ihnen stehenblieb: schlaffe Schultern, der Kopf dazwischen wie eine Bowlingkugel. »Aber ich will ihn nicht ausmachen, das ist das Problem«, sagte er, »weil’s nämlich echt eine irre Nerverei war, ihn zu starten – der Freak, der ihn mir verkauft hat, sagte ja auch, daß der Motor ein bißchen zickig ist, besonders wenn’s morgens kalt ist.«
    »Wie bitte?« warf Alfredo ein. »Jetzt ist Nachmittag , und wenn das Thermometer unter zwanzig Grad zeigt, dann würde ich sagen, wir brauchen ein neues.«
    »Ja, okay, es ist jedenfalls eine gute Maschine, echt robust, hat nur knapp zweihunderttausend Kilometer auf dem Tacho und könnte locker noch dreimal soviel fahren, also ich würde sagen, ich hab seit zwei Tagen nicht gepennt, und ich hab meinen Teil beigetragen, mehr als das, denke ich, deshalb könnte irgend jemand – Bill zum Beispiel – sich mal um eine kleine Motoreinstellung oder so kümmern, und ihr anderen solltet langsam euren Klimbim da reinladen, denn die Zeit und der Fluß und die Leute von der Bezirksbaubehörde warten auf keinen.« Er stieg die Treppe zum Haus hinauf und legte einen Arm um Premstar. »Und auf keine. Aber ich bin echt geschafft jetzt, total fertig, und irgendwer müßte noch ein Koffergestell oder so ähnlich oben auf dem Dach montieren, für unser Gepäck, außerdem brauchen wir massenhaft Strick und Gummispinnen oder so. Und Essen, ich meine echt kisten- und eimerweise Grundnahrungsmittel, Trockenbohnen und Mehl und so Zeug, aus dem Co-op unten in Guerneville.«
    Er hielt inne, klopfte die Taschen seines Overalls ab und holte ein Geldbündel aus der Innentasche. »Hier«, sagte er, zog einen Hundertdollarschein heraus und reichte ihn über die Treppe hinab, so daß der Regen ihn dunkel werden ließ, bis er aussah wie ein Stück nasse Pappe, wie Spielgeld, »nimm du das, Reba, okay? Für Proviant, ja?« Und dann machte er die Fliegentür auf und zwängte sich ins Haus, Premstar unterm Arm.
    Die nächsten fünf Tage waren Zigeunertage, so nannten sie Marco und Star für sich, ein kleiner Privatwitz, keine Zeit für süßen Rotwein oder Bier oder Dope oder zum Meditieren auf der Wiese, den Rücken gegen den gelben Felsknubbel gelehnt, nicht mal Zeit zum Schlafen gab es – die Karawane zog weiter, baut eure Zelte ab, bindet die Ziegen los und packt die Hühner bei den Beinen. Wenn irgendwer noch Zweifel an der Ernsthaftigkeit von Norm Senders Plänen hatte, so waren sie durch den Bus verflogen. Da stand er, massiv und unwiderlegbar beherrschte er den schlammigen Vorplatz wie ein Traum vom Imperium der Maschinen, und jeden Tag, vom Tagesanbruch bis zu den letzten verklingenden Stunden der Abenddämmerung, wuselten die Leute rein und raus, mit Werkzeug, Bettzeug, Nahrungsmitteln, Schallplatten, Vorräten.
    Der frühere Besitzer – einer von Norms alten Highschool-Kumpeln, aus dem inzwischen ein pferdeschwänziger Psychologe in Mill Valley geworden war – hatte einen Kanonenofen eingebaut, eine nicht ganz fertige Arbeitsplatte mit Spüle und acht hochklappbare Sperrholzpritschen, die als Betten dienten. Er hatte einen Traum gehabt, der Psychologe, nämlich den, das Ding zum Campmobil umzubauen, damit er ein paar seiner Patienten aus der staatlichen

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