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Drop City

Drop City

Titel: Drop City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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fragte er. »Du hast mir gefehlt.« Sie raunte ihm ihre Antwort zu: »Bei den Mädchen.«
    Auch Verbie war da, neben ihrer Schwester mit dem etwas langen Gesicht, das zuviel Kieferpartie und zu eng zusammenstehende Augen aufwies, und neben ihnen huschten Merry, Maya und Lydia um den Herd herum, Kaffeebecher in der Hand. Die beiden hellbraunen Hunde lagen ihnen zu Füßen. »Schon was gegessen?« wollte Star wissen, wandte sich aber gleich wieder ihrem Hackbrett zu und würfelte Gemüse für den Topf.
    »Ich fühl mich wie im türkischen Bad oder so«, sagte er, fand einen Platz am Tisch und strich sich die nassen Haare mit der rechten Handfläche zurück. Er zog sich einen Mittelscheitel, wie alle anderen, doch der Scheitel wirkte immer schief, als wäre er nicht richtig auf seinen Körper zentriert, aber solange er keinen bewußten Aufwand mit Kamm und Bürste trieb, bestand da wenig Hoffnung. »Nein«, sagte er auf Stars Frage, »noch nicht – aber wie spät ist es überhaupt?«
    Merry antwortete für sie. »Ich weiß nicht – zwei, halb drei?« Sie goß ihm Kaffee ein, zwei Teelöffel Zucker, einen Schuß Ziegenmilch, und brachte ihm den Becher hinüber. »Wann bist du denn schlafen gegangen?«
    Er hob vage die Hand. »Norm«, fing er an. »Ich hab mit Norm geredet«, und alle Frauen – sogar Verbies Schwester mit dem langen Gesicht – brachen in prustendes Gelächter aus. Ihm gefiel das. Es gefiel ihm, sie anzusehen, ihre regelmäßigen Zahnreihen, das blitzende Zahnfleisch, die zu Schlitzen verkniffenen Augen. Das Gelächter verebbte zu Kichern. »Schon gut, das erklärt alles«, meinte Star.
    Und dann tunkte er warmes Brot in seinen Kaffee, fühlte sich wie eingesponnen im Kokon des Augenblicks, noch nicht recht bereit, mit irgend etwas anzufangen. Die Unterhaltung ringsherum ging weiter, leise Stimmen, der rhythmische Steptanz des Messers auf dem Hackbrett.
    »Die Ziegen kommen doch mit, oder?«
    »Keine Ahnung. Ja. Also, ich denke schon.«
    »Brauchen die was Besonderes, wie nennt man das – einen Anhänger? Wie für Pferde, meine ich.«
    »Ach, du meinst einen Ziegenanhänger?« Wieder Gekicher. »Dann fahren wir doch einfach zum Ziegenanhängerladen rüber und kaufen uns einen.«
    »Ich meine das ernst.«
    »Okay, ich auch. Und womit wollen wir sie füttern?«
    »Die Ziegen?«
    »Na klar.«
    »Weiß nicht – mit Gras?«
    »Im Winter.«
    »Mit Heu?«
    »Aber wo kriegen wir mitten in Alaska Heu her?«
    »Kaufen.«
    »Womit denn?«
    »Na, im Tauschhandel. Genau wie hier. Weißt schon, gegen selbstgemachte Kerzen, Perlenketten, Keramik, Honig, so Zeug eben.«
    »Wer soll denn da oben Perlenketten haben wollen?«
    »Die Eskimos?«
    »Wo wir hinfahren, gibt’s keine Eskimos. Da gibt’s eher tiefe Wälder und Hügelketten. Sieht aus wie in Minnesota oder so. Hat jedenfalls Norm gesagt.«
    »Dann eben die Indianer. Indianer gibt’s doch da oben, oder nicht?«
    »Aber Indianer stellen selbst Perlenketten her.«
    »Dann eben Teenager. Tödlich angenervte Teenager, die dem Alltagstrott entfliehen wollen. Wir zetteln da oben eine Revolution an. Flower-Power in der Tundra!«
    »Ja, genau!«
    Wer sich da so um die Ziegen sorgte, das war natürlich Star. Die Ziegen waren inzwischen ihre Sache – niemand sonst schien sich um die Tiere zu kümmern. Sie roch sogar nach den Ziegen, was ihn aber nicht störte, überhaupt nicht, weil es ein natürlicher Geruch war, und darum ging es ja bei allem hier: um die Natur. Und wenn sie es lange genug miteinander aushielten, um bis nach Alaska zu kommen, dann würden sie noch wesentlich mehr davon kriegen.
    »Ich würde mir keine Sorgen wegen der Ziegen machen, eher schon wegen langer Unterhosen – ich meine, was sollen wir denn da oben anziehen? Nerzmäntel? Mukluks?« Pause. »Was genau sind eigentlich Mukluks?«
    »Da fahren wir einfach mal zum Secondhandshop rüber und holen uns einen Stapel Pullis und Mäntel. Und Strickzeug. Wir können ja stricken, ist doch kein Problem ...«
    »Wie Zwiebelhäute, so macht man das, in Schichten.«
    »Ich hab mal gehört, wenn man sich zu warm anzieht, gefriert einem der Schweiß am Körper und man kann glatt an Unterkühlung sterben oder so.«
    »Ich schwitze nicht.«
    »Wirst du aber, wenn wir dir erst deinen Nerzslip und den Hermelin-BH besorgt haben.«
    Sie lachten. Sie waren glücklich. Sie würden auch nach Sibirien, Feuerland, auf die Teufelsinsel fahren – es war ihnen alles egal. Es war ein Abenteuer, sonst nichts. Ein

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