Drop City
tobten und der teuflische Wahn der Rache. Pamela versuchte ihn zu trösten, aber das half wenig. Sie war ja selbst entsetzt, und das war am allerschlimmsten – das machte es erst wirklich zum Verbrechen. Es war übel genug, daß dieser psychopathische feige, heimtückische Dreckskerl von Spießerarsch den Mord begangen hatte, aber Pamela eine solche Schandtat vorzusetzen, noch dazu einen Tag nach ihrer Hochzeit? Er würde Joe Bosky umbringen, sobald er eine Gelegenheit dazu bekam, da gab es keine Alternative. Joe Bosky hatte sich erklärt. Joe Bosky verlangte nach dem Tod. Er bettelte darum.
»Das kannst du nicht machen, Sess, also denk nicht mal dran. Dafür wanderst du ins Gefängnis – das ist Mord. Hier oben gibt es auch Gesetze – das weißt du doch ...«
Er stand in einer Grube, hackte in den Dauerfrostboden, schaufelte Erde hinaus. Er war erst seit einer Stunde zurück, mit seiner Braut, und bisher hatte er nicht mal das Kanu entladen, im Garten nach dem Rechten gesehen, sie ins Haus gebracht oder ihr auch nur einen Kuß auf die Wange gedrückt. »Was weißt du denn davon?« gab er zurück, und er sagte die Worte nicht, er fauchte sie.
Sie stand dicht neben ihm, in den Shorts, die ihre wunderschönen Beine sehen ließen, und hielt die Hände in die Hüften gestützt. Sie biß die Zähne aufeinander. Es war ihr erster Streit, einen Tag verheiratet, eine Nacht im siebenten Himmel, und nun das. »Ich werde hier nicht mit dir reden wie mit einem kleinen Kind, Sess, und ich werde dich nicht daran erinnern, daß ich jetzt auch was mit alldem hier zu tun habe ...Wir werden zur Polizei gehen wie zivilisierte Menschen, uns auf Recht und Gesetz berufen ...«
»Gesetze gelten nicht für Hunde.«
»Und für Mord? Gelten sie für Mord? Glaubst du etwa, ich hab dich geheiratet, damit ich dich drei Stunden pro Woche in irgendeinem Gefängnis besuchen kann?«
Er trieb den Pickel in die gefrorene Erde, seine volle Wut sammelte sich in seinen Schultern und Armen und in dem harten Panzer seiner Brustmuskeln. »Wenn ich ihn sehe«, knurrte er, »dann bring ich ihn um.«
»Also schön. Okay. Ich sehe, daß du sauer bist, deshalb lasse ich dich mal eine Zeitlang allein und fange an, die Sachen reinzutragen. Klingt das nach einem guten Plan?«
Sauer? wollte er eigentlich antworten. Du glaubst, jetzt bin ich sauer? Warte mal ab, bis ich eine Knarre in die Hand kriege, dann wirst du sehen, wie sauer ich sein kann – warte nur, bis ich dieses Arschloch gegen die Wand schmeiße und jammern lasse wie ein altes Weib. Er bekam allerdings keine Gelegenheit, das zu sagen, weil sie schon zum Fluß hinunterging, durch das sonnenbeschienene Farbenspiel von Glockenblumen und Lupinen, Nelkenwurz und Steinbrech, hinter dem sich das Kanu vor dem immerwährenden Glitzern des Wassers abhob.
Sie machte ihnen an diesem Abend aus einigen Resten der Hochzeitstafel etwas zu essen, Salate und Aufschnitt und andere Sachen, die sich nicht halten würden, und sie aßen am Picknicktisch in der Sonne, bei fünfundzwanzig Grad, während die Stille der Welt sich rings um sie legte. Er hatte ein T-Shirt und geflickte Jeans an; sie trug ein Oberteil, das ihren Nabel freiließ, und ihr offenes Haar lag wie ein goldenes Banner auf ihren Schultern. Das war schon was, das war wirklich ein Wahnsinn. Ihr Anblick hier, vor seinem Haus, an seinem Tisch, lebendig und pulsierend unter dem weiten Himmel, berührte ihn und ließ ihn demütig werden und seine Wut minutenlang vergessen. Sie war seine Frau. Er war verheiratet. Zum ersten- und zum letztenmal in seinem Leben.
Unten an der Böschung, nur sechzig Meter entfernt, spielte der Fluß eine plätschernde Begleitung zum Gemurmel ihrer Unterhaltung, und es hätte ebensogut das Klimpern eines Pianos in einer schummrigen Bar sein können. Selbst die Moskitos, deren Warum und Wozu wohl niemand ergründen konnte, schienen anderweitig beschäftigt. Sess aß kalten Schinken und einen Drei-Bohnen-Salat und hörte seiner Frau zu, hing jedem ihrer Worte nach, beobachtete ihre Lippen, ihre Augen. Eine geöffnete Flasche Wein stand auf dem Tisch, ein 1969er Inglenook Pinot Noir aus dem Napa Valley, daneben ein Krug mit dem dunklen Bier, das Sess selbst herstellte. Er war zum Bierbrauer geworden, als er hergezogen war und das Blockhaus gebaut hatte, weil der nächste Supermarkt eher superweit weg war, und wenn er nicht gerade heiratete oder Howard Walpole nachspionierte, dann produzierte er etwa ein Sechserpack
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