Drop City
würde er mitarbeiten, würde er bleiben und den Garten jäten, das Dach reparieren, eine neue Abwasserleitung legen von den ständig verstopften Klos bis zu dem erst halbfertigen Rieselfeld, kurz gesagt: Würde er die Investition von Zeit und Atemluft wert sein, oder würde er sich nur durchvögeln, den ganzen Tag lang kiffen, billigen Wein saufen und zwischendurch mit einem Teller in der Hand zum Essen antreten? Diese Frauen lächelten mit Bedenkzeit, und er fühlte sich gehemmt und wertlos.
Er mußte die Stufen ein halbes Dutzend Mal hinaufgestiegen sein, die Arme mit Einkäufen beladen, bevor ihn jemand ansprach. Es war Merry, groß und dunkeläugig, ein Zweiglein Schleierkraut hinters Ohr gesteckt, die den Blick hob und leise fragte: »Schon lange unterwegs, hey?«
Norm antwortete nicht für ihn – er war lärmend in eins der anderen Zimmer gewandert, hatte am Plastik der neuen LPs gezerrt und insgesamt ein gewisses Vakuum hinterlassen. Maya und Verbie standen in der Ecke beim Ausguß und machten sich über die Berge von Jungzwiebeln, Paprika, Zucchini und Karotten her, die sie für einen Gemüsetopf zerkleinerten, sie sprachen dabei leise miteinander, und Merry war barfuß durch den Raum gehuscht, um die Sachen aus den Einkaufstüten zu nehmen und in die Regale zu räumen. Sie stand direkt neben ihm, ein Duft nach Knoblauch und Koriander, ihr Blick jagte der Frage hinterher. Marco zuckte die Achseln. Die richtige Antwort lautete: So etwa zwei Jahre. Aber das sagte er nicht. Er erwiderte nur: »Keine Ahnung. Eine Weile schon.«
Und das war das Ende der Unterhaltung. Merry kehrte ihm den Rücken zu, er sah ihr fließendes langes Haar, das sich wie in einer eigenen Strömung bewegte, die weißen Fingerknöchel, als sie Dosen in die Regale stellte, die Sonne prall und schwer in den Fenstern, die eingetopften Kräuter, und ein Kater, den Marco bis dahin gar nicht bemerkt hatte, hob den Kopf von seinem Ruheplatz auf dem Kühlschrank, um ihn mit einem stahlharten Blick seiner gelben Augen zu fixieren. Die Stille hielt noch einen halben Takt lang, bis sie gebrochen wurde, und zwar von dem enorm verstärkten Zischen einer abgenutzten Nadel, die sich auf jungfräuliches Vinyl hinabsenkte, und schon erfüllte ein wahnwitziges Gefetze von Schlagzeug und Gitarre das Haus. Marco blieb noch zwei Takte. Dann senkte er den Kopf und schob sich zur Tür hinaus.
Draußen, hinter dem Platz, wo Norm seinen Bus geparkt hatte, gab es einen ziemlich konventionellen Garten mit zwei Zitronenbäumchen, Blumenbeeten, dazu einen eingegrabenen Swimmingpool, in dem ein Schwimmer – auf diese Entfernung sah Marco nicht genau, ob es Frau oder Mann war – mit verrückter Beharrlichkeit seine Runden zog. Dunkles Haar, viel Haar. Hin und her, hin und her. Am liebsten hätte Marco sich die Kleider vom Leib gerissen und wäre auch hineingesprungen, um sich von all dem Klebrigen und Muffigen der Reise und dem Restgestank des Schlafsacks zu befreien, aber er kannte niemanden hier und ging einstweilen behutsam vor – bevor er in den Rhythmus dieser Kommune eintauchte, mußte er erst einmal klären, wo er zumindest diese Nacht schlafen würde, wenn nicht für die nächste Zeit. Norm hatte beim Ankommen auf einen Stapel Bauholz hinter einem der kleineren Gebäude gezeigt – »Bastle dir ruhig was zusammen«, hatte er gegen die Musik aus dem Radio angebrüllt, »tu dir keinen Zwang an, ich kehre hier sicher nicht die Baupolizei oder den Bürgermeister raus, also mach, was du willst« –, und Marco hatte beschlossen, sich auf jeden Fall mal zu überlegen, was sich daraus bauen ließ. Er war nicht gerade gelernter Zimmermann, aber ungeschickt war er auch nicht, und bis auf zwei Tage auf einer Baustelle in San Jose hatte er schon wochenlang nicht mehr richtig rangeklotzt. Wieso nicht? dachte er. Selbst wenn er nicht hierblieb, wär’s doch ein netter Zeitvertreib.
Er ließ Rucksack und Gitarre unter einer der gewaltigen verschlungenen Eichen vor dem Haus liegen und schlenderte den Weg entlang, um das Holz zu begutachten. Berauschend sah es nicht aus. Ein Haufen verwitterter Zaunpfosten, ein paar Sperrholzbretter, die sich extrem warfen, und diverse angekohlte Bretter, so daß man nicht Sherlock Holmes sein mußte, um zu ahnen, daß auf Drop City mindestens ein Gebäude ein Raub der Flammen geworden war. Er trennte gerade die besseren Stücke vom Schrott, als ein Mann von Anfang Zwanzig durch das hohe Gras auf ihn zukam. Seine Hüften wiegten sich
Weitere Kostenlose Bücher