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Drop City

Drop City

Titel: Drop City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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geschmeidig, als würde er nicht gehen, sondern tanzen, aber er hatte einen zu großen Kopf und zu kleine Füße. »Was liegt an?« sagte der Typ, und als er heranwackelte, sah Marco, daß er eine Angelrute in der einen und ein paar aufgefädelte, etwas mickrige Flußbarsche in der anderen Hand hielt. Sein Blick war glasig und sprunghaft, als käme er nach einem sehr langen Rockkonzert aus der Halle gewankt. Was sonst noch? Tiefgebräunt, kurze Holzperlenkette, abgeschnittene Jeans, Ledersandalen und der schütterste Bart der Welt.
    Marco nickte und gab den Stammesgruß zurück: »Und bei dir, Alter?«
    Der andere betrachtete ihn eine Zeitlang mit allerleisester Belustigung. »Ich bin Pan«, sagte er dann, »oder eigentlich Ronnie, aber alle nennen mich Pan ... Und du bist ...?«
    »Marco.«
    »Cool. Willst du was bauen?«
    »Denk grade drüber nach.«
    Ronnie zog ein Gesicht und bohrte die Kante einer Sandale in den Staub. »Mit dem Scheiß hier?«
    »Na ja, bescheidene Anfänge, bescheidene Hütte«, sagte Marco, aber er sagte es mit einem Grinsen. »Mann, Thoreau hat für sein Häuschen am Walden Pond achtundzwanzig Dollar oder so gezahlt, und darin hat er immerhin einen Winter an der Ostküste überstanden ...«
    »Yeah«, sagte Ronnie, »aber die Preisentwicklung seit damals ist ja verrückt, was?«
    »Genau. Völlig gratis, das Zeug hier. Die totale Deflation.«
    Aber Ronnie kriegte den Witz offenbar nicht ganz mit. Er stand lange Zeit wortlos da und sah zu, wie Marco in dem Holzstapel wühlte, und die Fische auf seiner Schnur wurden langsam hart. Es war heiß. Ein Krähenschwarm ließ im Wald ein Keckern ertönen. »Und was baust du nun, Mann?« fragte Ronnie schließlich.
    Die Idee kam Marco erst in diesem Moment, und er nutzte die Frage, um die Antwort aus sich hervorzulocken, denn bis dahin hatte er noch keine Form vor Augen gehabt. Jetzt fiel sein Blick auf die mächtige Eiche, auf ihre Krone und den steten Schatten, die Wurzeln wie Klauen in der Erde, und am Fuß des Stammes lehnten seine Gitarre und sein Rucksack. Er ließ ein Holzbrett zu Boden fallen.
    »Ein Baumhaus«, sagte er.

3
    Pan nahm sich den Tag frei. Pan wollte einfach mal seine fettige Matte pflegen, ein paar Pfeifchen rauchen und ein bißchen abhängen, kein Sex heute – er war schon richtig wund davon – und auch kein Streß, weder mit Merry noch mit Lydia, noch mit Star. Heute nicht. Der Morgen war bisher ziemlich alptraumhaft verlaufen: um neun hatte er sich von der Matratze im vorderen Schlafzimmer geschleppt, in der Kehle einen Geschmack wie aufgewärmte Scheiße, dann hatten sich alle in den verrosteten 1959 er Studebaker geschmissen, mit dem er und Star quer durchs Land geschrotet waren, und ab ging’s nach Santa Rosa zum Sozialamt des Countys, Lebensmittelgutscheine beantragen. Es waren knapp vierzig Grad, die Straßen glühten, die Welt der Schlipse und Anzüge feierte den Beginn des Wochenendes, Ungetüme mit massigen Unterarmen steuerten ihre zwölf Meter langen Kombiwagen in die Supermärkte, und keiner hatte auch nur einen Jointstummel für ihn übrig, um den Schmerz zu lindern.
    Jetzt war später Nachmittag, und Ronnie hatte sich am Pool ausgestreckt, die Haare klebten ihm am Kopf, nachdem er eine ganze Serie von Hüpfern in das grünlich-trübe Wasser hingelegt hatte – sollte da nicht mal irgendwer einen Sack Chlor reinkippen, so wurde das doch geregelt? –, die Sonne hielt ihren Teil der Abmachung, in den Bäumen zeterten die Vögel, irgendwer spielte Mundharmonika, und die Töne trieben über den Rasen, während sich in den großen Töpfen allmählich die ersten Gerüche des Abendessens verdichteten. Am vorigen Abend – oder doch schon vorgestern? – hatte es Gemüselasagne mit Tofu und Karotten statt Fleisch gegeben, und das war noch ein wahres Festmahl gewesen. Für gewöhnlich gab es nur eine Art Brühwürfel-Reispamp mit Kräutern, Jungzwiebeln und was sich sonst noch im Garten fand. Aber er beklagte sich nicht. Oder eigentlich doch. Seine Essensmarken vom Sozialamt gingen in den Gemeinschaftstopf, genau wie die von allen anderen, und damit konnte er leben, aber Norm – Norm war einfach wahnsinnig, denn er bestand darauf, jeden durchzufüttern, der eintrudelte, selbst die Penner und Rotweinbrüder und auch die schwarzen Freaks aus San Francisco, die übrigens seit letzter Woche das ganze hintere Haus übernommen hatten und keinerlei Anstalten machten, wieder zu verschwinden.
    Sie waren am Wochenende

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