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Drop City

Drop City

Titel: Drop City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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uncool , diesen ganzen Trip mit dem Landbesitz, weil Grund und Boden ja nicht einfach irgendwem gehören können, also dachte ich so in Richtung Timothy Leary: Laß uns mutieren, Mann , hab das Konzept des ›Freiwilligen Urzustands‹ entwickelt, und das darf ich dir mal kurz buchstabieren: LADJEAH – Land, Auf Das Jeder Ein Anrecht Hat, kapiert? Wenn du nach Drop City kommen willst, wenn du dich anklinken-einklinken-ausklinken und einfach mit der Natur leben und dein eigenes Ding durchziehen willst, ob das nun Ziegenmelken ist oder Abwaschen oder den Garten bestellen oder Sachen reparieren oder Rehe auf den Grill spießen oder auch nur in aller Seelenruhe zu den Sternen raufblicken – und mir ist wirklich egal, was davon du lieber hast –, dann bist du willkommen bei uns, hallo, nur hereinspaziert!«
    Zwei Stunden. So ging es dahin. Marco war in der Phase, in der alle großen Erwartungen allmählich einem dunkleren, ranzigeren Gefühl weichen müssen, doch als er das hohe Gras sah, mit Senfblüten durchsetzt, und die Eichen und die umhertollenden Hunde, die Ziegen, Hühner, die langhaarigen Männer, alle so im Einklang mit dem, was sie taten, daß sie kaum aufblickten, und die Frauen – die Frauen! –, da spürte er, wie etwas in ihm völlig neu geboren wurde. Er beugte sich vor und ließ die Szenerie sich vor ihm entfalten: Hütten, Zelte, Gemüsebeete und Zitrusbäume, eine geodätische Kuppel – oder war das eine Jurte? Dann bog der VW-Bus um eine Kurve, und das große Haus blitzte hinter Bäumen auf. Es war zu sehen, dann war es wieder weg. Als es wiederauftauchte, nahm Marco ein einstöckiges Holzhaus mit diversen Nebengebäuden wahr, nicht viel anders, als man es in Kansas oder Missouri oder sonst einem Staat finden würde, wo brave Bauern die Erde bearbeiteten, nur daß irgendwer alle Kanten in Grellorange eingefärbt und die Flächen in einem Karomuster aus Grün und Rosa gestrichen hatte, womit das Haus kein Haus mehr war, sondern eine Art Reklameposter für die psychedelische Revolution. Der VW-Bus bog auf einen Kiesweg ein, Staub wirbelte auf und schwängerte die Luft, Norm grinste in die Runde und grüßte mit dem Peace-Zeichen, zwei hellbraune Hunde liefen neben der Wagentür her, dann kam der Bus auf einem rumpligen Parkplatz hinter dem Haus zum Stillstand, und Norm brüllte: »Gerade recht zu den Feiertagen zu Hause, ah, ja!«
    Feiertage? Was denn für Feiertage? Marco überlegte, welcher Feiertag wohl Mitte Mai bevorstand – er war nicht sicher, welches Datum genau war, aber nicht später als vielleicht der fünfzehnte oder sechzehnte –, als Norm sich grinsend zu ihm umdrehte. »Ist nur so ’ne Redensart, Mann – und ich möchte der erste sein, der dir frohe Weihnachten wünscht! Nein, echt, auf Drop City ist jeder Tag ein Feiertag, weil hier die Spießerwelt verbannt ist, kategorisch und absolut: Wir müssen leider draußen bleiben, Mr. Normalo, kapiert?«
    Was konnte er schon tun, außer grinsend zu nicken und seinem Wohltäter ein wenig zur Hand zu gehen, als dieser anfing, Vorräte aus dem Bus zu laden: Ketchup in Dosen, Erdnußbutter, Honig, säckeweise Bulgur, Sesamkörner, ganze Mandeln und Rollhafer, Werkzeug, einen reparierten Generator, ein riesiges Backblech voller Brot – »Tauschhandel, Alter: Brokkoli für Brot, Gurken für Brot, Auberginen auch, und schon mal solche Kohlrüben gesehen?« – und zwei große Papiertüten mit rund dreißig LPs drin. Und wohin sollte das alles? In das große Haus, vier Stufen rauf über die abgetretene Veranda und weiter mit vollen Armen in die Küche, auf den handgezimmerten Tisch damit, primitiv, aber ehrlich, Küchenkräutertöpfe auf den Fensterbrettern, Regale vom Boden bis zur Decke, darauf Riesendosen und Anstaltspackungen von allen erdenklichen Lebensmitteln, als rechnete man mit einer Belagerung. Und Frauen, gleich drei: Merry, Maya und Verbie.
    Alle drei blickten auf, als Marco hinter Norm durch die Tür kam und seine Last auf dem Tisch ablud, sie lächelten, ja, aber er kannte dieses Lächeln schon – kannte es von Morning Star, Olompali, der Magic Farm und Gorda Mountain –, und daraus war bis auf Restmengen fast alles Brüder- und Schwesterliche ausgewaschen. Gemeint war es als ein Willkommen, dieses schmallippige Geschwisterlächeln, in dem auch die Sorge um angebrannten Haferbrei mitzuschwingen schien, denn wie viele hatten sie schon so willkommen geheißen? Er war neu. Ein neuer Freak. Ein weiteres Maul zu stopfen, und

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