Drop City
Kabelsalat da unten?«
Wieder ein Achselzucken. Er setzte das Bier an die Lippen und jagte erneut den Motor hoch. »Hab ihn mir ausgeborgt.«
»Ausgeborgt? Von wem?«
»Probieren wir mal, ob wir im Radio was erwischen?«
»Von wem, Sess?«
Jetzt sah er sie an, das Grinsen war verschwunden. Irgend etwas – ein lohbrauner Blitz – huschte knapp vor ihnen über die Straße. »Von Joe Bosky.«
»Von Joe Bosky?« wiederholte sie, als hätte sie ihn nicht richtig verstanden, und vielleicht traf das ja zu – vielleicht hatten das Dröhnen des Motors und der Fahrtwind ihren Ohren einen Streich gespielt.
Er antwortete nicht, sondern starrte nur auf die breite beigefarbene Zunge der Straße vor ihnen.
»Du meinst den Joe Bosky, den du vor ein paar Wochen noch am liebsten umgebracht hättest? Den Joe Bosky?«
Sie musterte sein Profil, aber er gab nicht nach. »Wir sprechen hier von Autodiebstahl, Sess. Wir sprechen von einer Gefängnisstrafe. Ist es das wert? Ist es das wirklich wert, nur um, ja was – um anzugeben? Den starken Mann zu markieren? Tust du das gerade? Gibst du vor mir an?«
»Auge um Auge. Tust du mir weh, tu ich dir weh. Hier draußen gilt das Gesetz des Dschungels, Pamela, daran gewöhnst du dich besser bald.«
»Jetzt red doch nicht solchen Mist«, sagte sie, »das solltest du nicht mal denken«, aber sie fuhren weiter, fuhren zu schnell, und die Steine flogen auf, um an Joe Boskys 1965er Shelby Mustang GT350 den Lack zu punktieren und das Chassis zu ruinieren, dem Wagen, den er an seinem ersten Tag in San Diego gekauft hatte, nach seinem zweiten Einsatz in Vietnam, von dem hinterlassenen Geld seiner verstorbenen Mutter, und den er dann nach Anchorage hatte transportieren lassen, um ihn mit fünfunddreißig Stundenkilometern über Fairbanks nach Boynton zu fahren und in der einzigen Garage des Orts abzustellen, gepachtet von Wetzel Setzler für zehn Dollar pro Monat. Sie wußte nicht, was sie sagen sollte. Sie war wütend. Das war alles so kindisch, zwei ausgewachsene Männer, die einander beharkten, und welchen Nutzen erhoffte sich Sess davon? Seine Hunde waren tot, und er rächte sich an Joe Boskys Auto? Aber was war, wenn Joe Bosky davon Wind bekommen hatte, denn immerhin hatte Sess mitten auf der Hauptstraße herumgehupt, so daß ihn alle Welt hören und sehen konnte. Und wenn er daraufhin über Wetzel Setzlers Funkgerät den Sheriff gerufen hatte? Was dann?
»Halt den Wagen an, Sess«, sagte sie. »Halt sofort an. Ich werde bei dieser Sache nicht mitmachen.«
Seine Hände umklammerten das Lenkrad. Er sah starr geradeaus. »Du machst bereits mit.«
Am Rand des Steese Highway stand ein Streifenwagen, als sie Fairbanks erreichten, ein langgestrecktes, unheimlich aussehendes Coupé, auf dessen Windschutzscheibe die Sonne blitzte, so daß man nicht hineinsehen konnte. Schon bei dem Anblick setzte ihr Herz aus, aber Sess ging vom Gas, streckte den Arm aus dem Fenster und winkte dem unsichtbaren Polizisten gutgelaunt zu. Sie wagte nicht, sich umzudrehen, beobachtete aber den Streifenwagen im Seitenspiegel, als könnte sie ihn mit ihrer Willenskraft an seinem Standort festnageln, dabei rechnete sie jeden Moment damit, daß er in einem wilden Tumult aus Blaulicht und Sirenen zum Leben erwachte. Nichts geschah. Der Wagen wurde im Spiegel kleiner und blieb reglos wie ein Blechhaufen. Ein Pickup überholte sie. Sie bogen um eine Kurve. Sess legte beide Hände aufs Lenkrad und fuhr wie ein Geflügelfarmer auf dem Weg zum Markt.
Sie aßen auf der Terrasse des Pumphouse zu Mittag, Pamelas Lieblingsrestaurant in Fairbanks, und die Sonne auf ihrem Gesicht, der laue Wind und die zwei Bier, die sie rasch kippte, halfen ihr, wieder zur Ruhe zu kommen. Sie besorgte sich eine Zeitung, und gemeinsam durchsuchten sie die Kleinanzeigen unter »Haustiere«, aber keiner der Hunde klang für Sess irgendwie vielversprechend – er bockte jetzt, seine Fröhlichkeit war dahin –, und sie hatten beide das Gefühl, dieser Tag sei total vergeudet. Andauernd sagte er, daß sie eigentlich zu Hause sein sollten, um die Netze auszulegen, andererseits kippte er dann doch sein Bier, leerte das Whiskeyglas und grummelte, es sei ja ohnehin sinnlos, sich wegen der Lachse oder irgend etwas anderem Sorgen zu machen, wenn man keine Hunde hatte, denn wer keine Hunde hatte, der war sowieso zum Scheitern verurteilt, dann war das mit dem Leben in der Natur nur ein Pfeifentraum, ein schlechter Witz. Es deprimierte sie, ihn so zu sehen
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