Drop City
von drei verschiedenen Hunden gespielt wurde und daß alle drei Männchen waren?«
Das hatte sie nicht gewußt. Aber sie kannte inzwischen den Ursprung seiner Fehde mit dem schwarzhaarigen Ex-Marineinfanteristen. Er hatte ihr beim zweiten Glas Wild Turkey im Pumphouse mürrisch davon erzählt, nachdem sie die Beschreibungen der Hunde vorgelesen hatte, die zum Verkauf, zum Tausch oder »für tierliebe Eltern zu verschenken« in der Zeitung standen. Im Winter vor zwei Jahren war Joe Bosky plötzlich in Boynton aufgetaucht, aufgetakelt wie ein Forscher im National Geographic , in einem Parka aus Karibuleder mit Wolfspelzfutter, ein Jagdgewehr über der Schulter. Das Flugzeug, das ihn abgesetzt hatte, war noch nicht mal für den Rückweg nach Fairbanks aufgetankt, da quatschte er im Nougat schon so viel Scheiße, daß er bis zur Hüfte drinstand, und besonders stolz zeigte er den Grundbuchauszug von Tilda Runyons Blockhaus herum – den Schuppen hatte ihr Sohn geerbt, ein versoffenes, spielsüchtiges Halbblut, obendrein ein Dieb und ein Lügner, der aber offenbar zusammen mit Bosky bei den Marines gewesen war. Und was machte Bosky mitten im Februar in Alaska? Er wollte in der Wildnis leben, das war der Grund. Also zog er in Tilda Runyons Haus, hackte Holz, soff wie ein Loch und lebte von dem, was ihm das Postflugzeug zweimal pro Woche lieferte. Im ersten Sommer baute er sich ein eigenes Blockhaus am Woodchopper Creek und verdiente Geld zum Schweinefüttern, indem er mit der Cessna 180, mit der er eines schönen Tages anrückte, Touristen und Sportangler ins Hinterland flog, und im Herbst erkundete er die Hügel und Wasserläufe auf der Suche nach geeigneten Plätzen zur Pelztierjagd. Irgendwann stieß er auf Roy Senders Fallenstrecke, das Ergebnis der Arbeit von über vierzig Jahren, in denen Roy sie gerodet und bestückt und erweitert und schließlich an Sess übergeben hatte. Im ersten Winter fehlten öfter Köder, oder die Fallen waren zugeschnappt, aber leer, ohne daß je die Fußspuren eines Mannes im Schnee zu sehen gewesen wären, als könnte der Übeltäter fliegen, denn Joe Bosky war schlau und ein Naturtalent fürs wilde Leben. Im nächsten Winter hatte er seine eigene Fallenstrecke, wilderte aber weiter auf Sess’ Territorium.
»Das von Lassie wußtest du nicht? Wirklich nicht?«
Sie schüttelte den Kopf. »Und woher weißt du es so genau, hast du’s irgendwo gelesen?«
»Klar hab ich’s wo gelesen. Wahrscheinlich im TV Guide .«
»Im TV Guide ? Wozu um Himmels willen liest du ein Fernsehprogramm, wenn du doch keinen Fernseher hast und wohl auch nie einen haben wirst?«
Er sah sie an. Zuckte die Achseln. »Ich war doch mal einen Winter total am Boden, als ich noch in Fairbanks wohnte – hab ich dir erzählt, weißt du noch? Hab zuviel gesoffen und war ständig pleite deswegen. Und da gab’s mal in einem Buchladen einen ganzen Karton mit alten TV Guides zu verschenken. Ich glaube, ich hab jedes Heft von vorn bis hinten gelesen. Zweimal. Mindestens. Kennst du Citizen Kane ?«
Ein schwarzweißes Bild stieg vor ihren Augen auf, ein dunkles Zimmer, das Flimmern der Glotze, ihre Mutter mit hochgelegten Füßen beim Nägellackieren, das feiste Vollmondgesicht von Orson Welles, die scharfen Konturen eines Herrschaftshauses, in dem ganze Armeen campieren konnten. »Hab ich mal gesehen. Zum Teil jedenfalls.«
»Neunzehnhunderteinvierzig. Mit Orson Welles und Joseph Cotten. Regie Welles. Vier Sterne. Der Geist der Mumie ? Neunzehnhundertvierundvierzig, mit Lon Chaney junior, zwei Sterne. Im Land der langen Schatten , mit Anthony Quinn, neunzehnhundertsechzig – der muß mindestens sechsmal pro Woche gelaufen sein –, drei Sterne. Ich könnte dir die Bewertung für jeden Film sagen, der je gedreht wurde, aber in meinem ganzen Leben hab ich kaum mehr als vielleicht fünfzig selbst gesehen – und das war als Kind, zu Hause bei meinen Eltern.«
Der Hund bewegte sich auf ihrem Schoß. »Und, fehlt dir das – Fernsehen, Spielfilme?«
Sie erwartete, daß er nein sagte und ihr den üblichen Vortrag aller Typen mit Buschkoller hielt – viel zuviel zu tun da draußen, die Natur war so schön und viel besser als alles, was man auf einem kleinen Bildschirm je zu sehen bekam, und wenn dann erst über einem das Nordlicht in den lebendigsten Farben erstrahlte ... Doch er überraschte sie. »In einer Januarnacht ohne Mond, wenn der Ofen so heiß ist, daß das Eisen glüht, und der Fußboden so kalt, daß du nicht
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