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Drop City

Drop City

Titel: Drop City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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gebratenen Zwiebeln und Ofenasche, den man ein paar Tage lang in die Sonne gestellt hatte. Aus der Musicbox ergoß sich das übliche Gedudel von Country-Rührseligkeit, und in der Luft torkelten die üblichen Kneipenmoskitos.
    Sess stürmte zur Tür herein wie ein Hurrikan, fröhliches Geplapper und gute Laune, er hielt Pamela an der einen Hand und die Hippiefeldflasche in der anderen, und er fühlte sich bleischwer und zugleich leichter als die Luft, und was tat es schon, daß der speckige Fettsack von Neffe ihm dicht auf den Fersen folgte und die restlichen Typen auch? Es waren schließlich Menschen, oder etwa nicht, genau wie jedermann sonst? Dreckiger vielleicht. Und fauler. Sie rauchten Hasch und bumsten wie die Hunde. Aber die Welt veränderte sich eben – Männer hatten Haare wie Frauen, Frauen trugen Hosen wie Männer und ließen ihre Titten herumtanzen, und wer sollte dagegen wohl was haben? Aufgewacht, Boynton, dachte er, das hier ist die moderne Welt. Aber er dachte das alles nicht so klar zu Ende, jedenfalls würde ihn Pamela bestimmt nicht nerven – ein Bier, das war alles, ein Bier, dann würden sie in der Baracke am Fluß übernachten und gleich am nächsten Morgen den Fluß hinauffahren, und sollten doch Wetzel Setzler und die übrigen Stadträte sich wegen dieser Busladung Hippies den Kopf zerbrechen, die garantiert nicht mal einen Elch von einem Karibu unterscheiden konnten. Oder einen Hasen von einem Eichhörnchen, vermutlich.
    Tammy Wynette verklang, und die Musicbox spielte Roger Miller – »King of the Road«, einen Song, den Sess so unsagbar und abgrundtief haßte, daß er jedesmal irgend etwas kaputtschlagen wollte, wenn er ihn hörte, und er mußte ihn hier andauernd hören –, und in der kurzen, zischenden Zäsur zwischen den Platten wandte sich jedermann im Raum, sogar Tim Yule, zur Tür um. Herein kam der Neffe, laut grölend, hinter ihm der mit dem Blut auf dem Hemd, dann die kleine Blondine, dann ein blasses Ungeheuer in einem verschmierten Overall und die übrige schillernde, kichernde Parade, die den Raum gefüllt hatte, noch ehe Roger Miller von einer schwachsinnigen Strophe zur nächsten torkeln konnte. »Was zu trinken für alle hier!« brüllte der Neffe und legte einen Schein auf den Tresen. »Die erste Runde geht auf Roy Sender – den legendären Roy Sender! Kennt irgend jemand hier Roy Sender?«
    Keiner sagte ein Wort. Niemand rührte sich. Alles konzentrierte sich auf Roger Miller, als säßen sie in der Carnegie Hall und lauschten David Oistrach. Tim Yule räusperte sich. »Sag mal, sind das Bekannte von dir, Sess?«
    Zur Antwort ging Sess quer durch den Raum zur Musicbox hinüber und versetzte ihr einen Tritt, daß die Nadel mit einem langgedehnten Knistern über die Platte rutschte. Dann zog er einen Vierteldollar hervor, steckte ihn in den Schlitz und drückte B-9, »Mystic Eyes«, gleich dreimal hintereinander. Lynette, die nichts erschüttern konnte oder die zumindest so tat, öffnete Bierflaschen und reihte sie auf dem Tresen auf, und als Van Morrison nach der Mundharmonika-Intro mit seiner schwermütigen Stimme loslegte, fingen alle auf einmal an zu reden.
    Es war ein kurzer Song, nicht länger als zwei Minuten oder so, aber schon beim zweiten Durchgang fingen etliche Hippies an, sich in den Schultern zu wiegen und mit den Füßen zu scharren, und beim dritten waren sie voll am Tanzen, schleuderten die Ellenbogen durch die Gegend und wedelten die Arme schlangenartig über ihre Köpfe. Der Neffe hatte sich eine knochendürre Blondine in hochhackigen Schuhen geschnappt, die aussah wie Twiggys amerikanische Zwillingsschwester, und ein Mädchen von eins fünfzig oder so, die ein Batikhemd trug und eine Zahnlücke hatte, packte Iron Steve am Arm und tanzte wie ein Wirbelwind mit ihm durch die Kneipe. Sess warf einen weiteren Vierteldollar ein und drückte den Song gleich noch dreimal. Skid Denton ächzte hörbar auf, Richie Oliver legte sich einen Finger an die Schläfe und drückte den imaginären Abzug, und immer noch strömten neue Hippies zur Tür herein und wieder raus auf den Parkplatz, wo irgendwer die massigen Lautsprecher in ihrem Bus aufgedreht hatte, so daß nun ein Feuerwerk von irrwitziger Hippiegitarrenmusik über das Ödland dröhnte. So etwas hatten sie hier seit der letzten Landung der Außerirdischen nicht mehr gesehen, und Sess war zu jung, um sich daran zu erinnern.
    »Sess!« rief Skid Denton durch das Tohuwabohu und fuchtelte mit einem vollen

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