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Drucke zu Lebzeiten

Drucke zu Lebzeiten

Titel: Drucke zu Lebzeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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dem Boden lag, sprang diese, die doch
    so ganz in sich versunken schien, mit einemmale in die
    Höhe, die Arme weit ausgestreckt, die Finger gespreizt,
    rief: „Hilfe, um Gottes willen Hilfe!“, hielt den Kopf 
    geneigt, als wolle sie Gregor besser sehen, lief aber, im
    Widerspruch dazu, sinnlos zurück; hatte vergessen, daß
    hinter ihr der gedeckte Tisch stand; setzte sich, als sie bei
    ihm angekommen war, wie in Zerstreutheit, eilig auf
    ihn; und schien gar nicht zu merken, daß neben ihr aus 
    der umgeworfenen großen Kanne der Kaffee in vollem
    Strome auf den Teppich sich ergoß.
    „Mutter, Mutter“, sagte Gregor leise, und sah zu ihr
    hinauf. Der Prokurist war ihm für einen Augenblick
    ganz aus dem Sinn gekommen; dagegen konnte er sich 
    nicht versagen, im Anblick des fließenden Kaffees mehr-
    mals mit den Kiefern ins Leere zu schnappen. Darüber
    schrie die Mutter neuerdings auf, flüchtete vom Tisch
    und fiel dem ihr entgegeneilenden Vater in die Arme.
    Aber Gregor hatte jetzt keine Zeit für seine Eltern; der 
    Prokurist war schon auf der Treppe; das Kinn auf dem
    Geländer, sah er noch zum letzten Male zurück. Gregor
    nahm einen Anlauf, um ihn möglichst sicher einzuholen;
    der Prokurist mußte etwas ahnen, denn er machte einen
    Sprung über mehrere Stufen und verschwand; „Huh!“ 
    aber schrie er noch, es klang durchs ganze Treppenhaus.
    Leider schien nun auch diese Flucht des Prokuristen den
    [  ]
    Vater, der bisher verhältnismäßig gefaßt gewesen war,
    völlig zu verwirren, denn statt selbst dem Prokuristen
    nachzulaufen oder wenigstens Gregor in der Verfolgung
    nicht zu hindern, packte er mit der Rechten den Stock
     des Prokuristen, den dieser mit Hut und Überzieher auf
    einem Sessel zurückgelassen hatte, holte mit der Linken
    eine große Zeitung vom Tisch und machte sich unter
    Füßestampfen daran, Gregor durch Schwenken des
    Stockes und der Zeitung in sein Zimmer zurückzutrei-
     ben. Kein Bitten Gregors half, kein Bitten wurde auch
    verstanden, er mochte den Kopf noch so demütig dre-
    hen, der Vater stampe nur stärker mit den Füßen. Drü-
    ben hatte die Mutter trotz des kühlen Wetters ein Fen-
    ster aufgerissen, und hinausgelehnt drückte sie ihr Ge-
     sicht weit außerhalb des Fensters in ihre Hände. Zwi-
    schen Gasse und Treppenhaus entstand eine starke Zug-
    lu, die Fenstervorhänge flogen auf, die Zeitungen auf
    dem Tische rauschten, einzelne Blätter wehten über den
    Boden hin. Unerbittlich drängte der Vater und stieß
     Zischlaute aus, wie ein Wilder. Nun hatte aber Gregor
    noch gar keine Übung im Rückwärtsgehen, es ging
    wirklich sehr langsam. Wenn sich Gregor nur hätte um-
    drehen dürfen, er wäre gleich in seinem Zimmer gewe-
    sen, aber er fürchtete sich, den Vater durch die zeitrau-
     bende Umdrehung ungeduldig zu machen, und jeden
    Augenblick drohte ihm doch von dem Stock in des Va-
    ters Hand der tödliche Schlag auf den Rücken oder auf
    [  ]
    den Kopf. Endlich aber blieb Gregor doch nichts ande-
    res übrig, denn er merkte mit Entsetzen, daß er im
    Rückwärtsgehen nicht einmal die Richtung einzuhalten
    verstand; und so begann er, unter unauörlichen ängst-
    lichen Seitenblicken nach dem Vater, sich nach Möglich- 
    keit rasch, in Wirklichkeit aber doch nur sehr langsam
    umzudrehen. Vielleicht merkte der Vater seinen guten
    Willen, denn er störte ihn hierbei nicht, sondern diri-
    gierte sogar hie und da die Drehbewegung von der Ferne
    mit der Spitze seines Stockes. Wenn nur nicht dieses 
    unerträgliche Zischen des Vaters gewesen wäre! Gregor
    verlor darüber ganz den Kopf. Er war schon fast ganz
    umgedreht, als er sich, immer auf dieses Zischen hor-
    chend, sogar irrte und sich wieder ein Stück zurückdreh-
    te. Als er aber endlich glücklich mit dem Kopf vor der 
    Türöffnung war, zeigte es sich, daß sein Körper zu breit
    war, um ohne weiteres durchzukommen. Dem Vater fiel
    es natürlich in seiner gegenwärtigen Verfassung auch
    nicht entfernt ein, etwa den anderen Türflügel zu öffnen,
    um für Gregor einen genügenden Durchgang zu schaf- 
    fen. Seine fixe Idee war bloß, daß Gregor so rasch als
    möglich in sein Zimmer müsse. Niemals hätte er auch
    die umständlichen Vorbereitungen gestattet, die Gregor
    brauchte, um sich aufzurichten und vielleicht auf diese
    Weise durch die Tür zu kommen. Vielmehr trieb er, als 
    gäbe es kein

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