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Drüberleben

Drüberleben

Titel: Drüberleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Weßling
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verkrampft und irgendwie nicht mehr im Takt schlägt, und ich wusste: Herzinfarkt, jetzt ist es so weit. Meine Frau hat den Notarzt gerufen, und die haben dann festgestellt, dass ich eine Panikattacke hatte. Und ich lag allein in dem Untersuchungsraum, während meine Frau sich einen Kaffee holte, und wusste plötzlich: Du bist ein Verrückter, Peter, du bist jetzt einer von denen. Und dann habe ich mich am nächsten Tag auf Anraten meines Hausarztes hier vorgestellt.«
    » Krass«, bemerkt Nina beinahe anerkennend und wirkt plötzlich gar nicht mehr wie das Mädchen, das immerzu Sticheleien von sich gibt. » Bei mir war das nicht ganz so heftig. Ich konnte einfach irgendwie nichts mehr essen. Und dann hatte ich auch dauernd so ein schlechtes Gefühl, wenn ich in die Praxis musste. Ich hatte so viel Stress in der Berufsschule, dass ich dachte, dass das alles daher kommen würde. Die Appetitlosigkeit und so. Und dann bin ich zum Arzt wegen einer Grippe, und der Arzt hat ziemlich schnell festgestellt, dass ich keine Grippe habe, sondern einfach nur total erschöpft bin. Ein paar Wochen später bin ich dann bei der Arbeit umgekippt. Und da hat der Arzt dann gesagt: Jetzt aber in die Klinik. Aber ich habe nie gedacht, dass ich sterben müsste oder so. Dafür war ich sowieso zu müde. Für solche Gedanken.«
    » Ich wusste eigentlich die ganze Zeit, dass man mich besser einsperren sollte«, sagt Isabell.
    » Ich gehe mal rauchen«, sagt Nina plötzlich mit einem zornigen Blick auf Isabell, die nur lächelt.
    In der Tür stößt sie fast mit Richard zusammen, der hochrot in den Raum stürzt, sich eine der Wasserflaschen nimmt, die dort für alle zur Verfügung stehen, und gierig trinkt.
    » Was ist denn mit dir los?«, fragt Peter.
    » Ich fasse das nicht. Ich fasse das nicht. Ich fasse das echt nicht. Immer macht die das, die Wängler, immer muss die so etwas machen, als wäre das fair, obwohl es das nicht ist, ist es gar nicht, fair ist das nicht, und dann soll ich mich nicht aufregen, sagt sie, aufregen soll sich der liebe Richard nicht, obwohl man sich doch da richtig aufregen kann, wenn einer so was macht, also das ist doch wirklich nicht fair, einen so zu behandeln!«
    Die anderen lachen, und Peter fragt noch einmal: » Was ist los, Richard?«
    » Also, da sagt die, dass ich mir nicht genug Mühe geben würde, also, als ob das wahr wäre, als ob man das so sagen kann, kann man nicht, kann man nicht! Und wisst ihr, was die noch gesagt hat? Wisst ihr das? Nein, könnt ihr ja nicht wissen, ihr seid ja nicht dabei gewesen, aber die hat gesagt, dass ich mich mehr anstrengen müsste, sonst würde das ja alles nichts bringen, aber ich strenge mich doch schon an, so an, also das ist doch, das ist doch…«
    » Darf ich vorstellen: Richard, der Mann, der die Schallgeschwindigkeit nur mithilfe der Sprache überwindet«, bemerkt Isabell und erntet einen wütenden Blick von Richard.
    » Genau das ist es ja! Ich kann doch nichts dafür, dass die nicht so schnell denkt, wie ich reden kann, dass scheinbar überhaupt niemand so schnell denken kann, wie ich sprechen kann, das ist ja wohl nicht meine Schuld, ja! Und mir geht es ja auch schon viel besser, viel, viel besser geht es mir, ich bin richtig zufrieden, und vielleicht bekomme ich sogar meine eigene Wohnung demnächst, das müsst ihr euch mal vorstellen, und dann sagt die Wängler, ich würde nicht genug Fortschritte machen, um in eine eigene Wohnung zu ziehen, dabei stimmt das doch gar nicht, ich habe total große Fortschritte gemacht!«
    Sichtlich erregt knallt Richard die Wasserflasche auf den Tisch und verschränkt die Arme wie ein kleines, wütendes Kind. Dann verlässt er plötzlich schweigend den Raum so schnell, wie er ihn betreten hat.
    Peter blickt ihm kopfschüttelnd hinterher und fragt dann: » Und Ida, du hast die Frage gar nicht beantwortet, oder? Was war denn dein Moment der Erleuchtung, dass eigentlich alles ziemlich finster aussieht?«
Der Moment, in dem ich an ihrem Grab stand und furchtbar lachen musste.
Der Moment, als ich vom Dach eines Hochhauses nach unten geblickt und nichts als Erleichterung gespürt habe. Erleichterung über die Möglichkeit eines Ausgangs, wenn alle anderen Türen blockiert sind.
Der Moment, in dem ich vor der Toilette saß, auf den ganze Würgetage folgten, in denen ich mich erbrach, weil ich herausfinden wollte, wie viele Schmerztabletten sich mit Alkohol mischen ließen, ohne dass etwas eklatant Schlimmes passierte.
Der Moment, in

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