Druidenherz
Business-Kostümen und Männer in eleganten Anzügen. Einige trugen einen eigenwilligen Stil, mischten bunte Oberteile mit Jeans und neonfarbenen Turnschuhen, andere liefen komplett in Schwarz herum, inklusive schwarzem Lippenstift und dick umrandeten Augen. Ein ganz normales Straßenbild also. Das gab Imogen ein wenig Zuversicht und erinnerte sie an gemütliche Bummel durch Einkaufspassagen.
Das Rathaus war leicht zu finden, auch das Schild zur Polizeiwache ließ sich nicht übersehen. Imogen schritt durch das geöffnete Tor und dann ins Gebäude. Zu ihrer Erleichterung entdeckte sie eine Frau im Foyer. »Entschuldigen Sie bitte«, begann Imogen. »Mein Name ist Imogen Carmichael. Mir wurde meine Handtasche gestohlen, und darin befanden sich leider auch mein Handy und mein Ausweis.«
Die Frau lächelte ihr zu. »Kein Problem. Gehen Sie einfach dort hinein.« Sie deutete nach links auf eine offen stehende Tür. »Meine Kollegin ist gerade frei, Sie können also direkt zu ihr.«
»Danke.« Imogen nickte ihr zu und ging in den angrenzenden Raum. Dort wiederholte sie ihr Anliegen.
»Nehmen Sie doch bitte Platz«, sagte die junge Polizistin und wies auf den Sessel vor ihrem Schreibtisch. »Es wird einen Moment dauern, Ihre Papiere zu erneuern und die Anzeige aufzunehmen. Möchten Sie eine Tasse Kaffee?«
»Sehr gern, danke.«
Sie vollführte eine halbe Drehung mit ihrem Schreibtischstuhl, tippte eine Maschine an, und nur Sekunden später begann das Wasser darin blubbernd zu kochen.
»So«, sagte die Polizistin und schob Imogen die gefüllte Tasse sowie ein Plastikdöschen Milch und ein Tütchen Zucker zu. »Dann erzählen Sie mir bitte, wann genau der Diebstahl passiert ist, wo Sie sich befanden und was Sie noch über den Täter wissen.«
»Ich weiß leider nur wenig. Ich war in den Highlands spazieren, als es geschah. Richtig gesehen habe ich die beiden nicht.« Sie riss den Zucker auf, schüttete ihn zusammen mit der Milch in die Tasse, rührte um und sog das aufsteigende Aroma tief ein.
»Es waren also zwei.« Ihre Finger lagen auf einer flachen Tastatur. Entweder, hatte sie nicht bemerkt, wie sehr Imogen nach dem Kaffee gierte, oder sie sah diskret darüber hinweg.
»Ja. Aber alles ging so wahnsinnig schnell, und dann war ich kurz ohnmächtig.«
Die Augen der Frau weiteten sich. »Soll ich einen Krankenwagen rufen?«
»Nein, das ist nicht nötig. Es geht mir gut.« Bloß nicht in ein Krankenhaus gebracht werden! Das würde nur Chaos geben mit all den Papieren und Erklärungen. Denn auch wenn die Hundebisse gut verheilt waren, sah man sie doch immer noch, und auch, dass sie professionell versorgt worden waren. Das würde nur Fragen aufwerfen.
»Sind Sie sicher? Mit einem Schlag auf den Kopf ist nicht zu spaßen. Außerdem wäre es auch fürs Protokoll wichtig, zu wissen, wie schwer Ihre Verletzungen sind.«
»Ich war gestürzt und nur einen kleinen Moment ohne Bewusstsein. War wohl mehr der Schreck, an meinem Sturz war niemand beteiligt.«
»Das kann nicht stimmen. Wenn Sie bestohlen wurden, hat man Ihnen die Handtasche doch entrissen. Das gilt als tätlicher Angriff.« Die Frau tippte. »Körperverletzung kommt dazu, ich werde gleich mal meinen Kollegen Bescheid geben, damit sie die Fahndung einleiten.«
»Dürfte ich wohl bitte telefonieren?«, fragte Imogen und nahm einen vorsichtigen Schluck von dem Kaffee. Er schmeckte himmlisch. »Ich würde gern meine Tante anrufen. Sie kann bei der Wiederbeschaffung meiner Papiere sicher sehr nützlich sein.«
»Natürlich.« Imogen wurde ein Telefon gereicht, halb so groß wie ihr Handy. Es besaß keine Tasten. Auch als sie mit den Fingern auf das Display tippte, erschien nichts.
Fragend blickte sie die Frau an. »Wo kann ich denn da wählen?«
»Haben Sie noch nie ein Spracherkennungstelefon benutzt?«, fragte sie, die Augen vor Verblüffung geweitet.
»So modern eingerichtet bin ich nicht«, sagte Imogen und lächelte entschuldigend.
Den Dörflern täte es wirklich gut, ihr Hightech nicht als allgemeingültig anzusehen. Später würde sich Imogen gern ansehen, was es neben dem Telefon, den Elektroautos, öffentlichen Downloadportalen und besonders dem personalisierten Schuhladen noch so gab, aber nun wollte sie einfach nur telefonieren.
»Sprechen Sie einfach Ziffer für Ziffer die Nummer.«
Imogen tat es. Doch statt des vertrauten Klingelns erklang nur eine Bandansage, dass der Anschluss nicht existierte. »Ich fürchte, ich habe mich vertan.«
Die
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