Druidenherz
erwachsene Frau. Ihr Teint war so hell wie bei einer Keltin, dennoch glaubte er nicht, dass sie eine war. Ihr haftete etwas eigentümlich Fremdartiges an.
Dian tauchte ein frisches Tuch in den Wassereimer, wrang es aus und legte es auf ihre Stirn. Selbst durch den Stoff konnte er die enorme Hitze spüren.
Das Fieber war jedoch nicht das Einzige, was ihm Sorgen bereitete. Obwohl viel Zeit verstrichen war, seit er ihr den Schlaftrunk verabreicht hatte, wachte sie nicht auf. In diesem Zustand verspürte sie zwar keine Schmerzen, aber durch das Fieber bestand die Gefahr, dass ihr Körper austrocknete.
Dians Blick fiel auf ihren Arm. Das Aufschneiden hatte die Entzündung lediglich ein wenig verlangsamt. Nun breitete sie sich weiter in Richtung Herz aus, und so schwer es ihm fiel: Er musste eine Amputation in Erwägung ziehen. Bei solchen Verletzungen konnte man oft nur so verhindern, dass der Versehrte an einer Infektion starb. Doch auch diese Operation würde sie vermutlich kaum überleben, zu geschwächt war sie, zu hoch der Blutverlust. Außerdem war auch das Abnehmen einer Gliedmaße keine Garantie dafür, dass der Kranke überlebte. Manchmal hatte sich das Gift schon vorher in seinem Körper eingenistet, sodass die Amputation nichts mehr ausrichten konnte.
Nein, es gab keinen anderen Ausweg. Dian atmete tief durch und sammelte Kraft und Ruhe in sich, um die größtmögliche magische Energie zu produzieren. Dann legte er sich neben sie, zog ihren zierlichen Körper eng an sich und ließ seinen Geist zusammen mit der Kraft in sie hineingleiten. Er musste die Entzündung bekämpfen. All seine Stärke schickte er ihr, die gesamte Kraft, die er als Druide und Magier des höchsten Rangs besaß.
Ein kurzes Durchatmen, ein neues Sammeln der Kräfte. Noch zeigte sich keine Veränderung bei ihr, aber das hatte er auch nicht erwartet. Sie brauchte viel mehr.
Abermals sandte er ihr diese besondere, magische Energie, ließ sie ihren Körper durchströmen, ihre eigene Kraft dadurch stärken.
Immer noch zeigte sie keine Reaktion. Aber auch Magie brauchte mitunter etwas Zeit, um ihre Stärke zu entfalten.
Er hielt sie weiter an sich gedrückt, sammelte nochmals neue Energie und sandte sie ihr. Das wiederholte er so oft, bis er spürte, dass er selbst kurz davorstand, das Bewusstsein zu verlieren. Er musste sich ausruhen, sonst würde er ihr nicht mehr helfen können.
Einen Moment noch blieb Dian neben ihr liegen. Durch die Anstrengung raste sein Puls, seine Arme und Beine fühlten sich schwer an. Dann richtete er sich auf, tat einige zögerliche Schritte und trat in den Nebenraum, um etwas zu essen und Wasser zu trinken. Gwyd hatte ihm alles bereitgestellt. Außerdem wartete eine große Schale mit parfümiertem Wasser auf ihn, mit dem er sich waschen konnte. Er tauchte die Hände hinein, und das kalte Wasser prickelte an seinen Fingern und wirkte belebend. Er benetzte sich Gesicht, Hals und Nacken.
Eigentlich hätte er schlafen müssen, um seinem Körper Gelegenheit zu geben, sich zu erholen und neue Kräfte zu bilden. Doch er wollte die junge Fremde nicht zu lange allein lassen.
Als er zu ihr zurückkehrte, hatte sich an ihrem Zustand nichts geändert. Dian legte ihr abermals ein kaltes Tuch auf die Stirn und bestrich ihre aufgesprungenen Lippen vorsichtig mit Honigsalbe.
Neben ihr sitzend lauschte Dian auf ihre schwachen, jedoch gleichmäßigen Atemzüge und berührte immer wieder ihre Stirn. Das Fieber stieg wieder, und damit sanken trotz aller magischen Energien, die er ihr schon übertragen hatte, ihre Überlebenschancen. Dian fluchte lautlos und fragte sich, ob er etwas übersehen hatte oder ob es einfach nur Schicksal war und ihr Lebensweg nun zu Ende. Doch damit wollte er sich nicht abfinden.
Erneut legte er sich neben sie und zog sie in seine Arme. Eine Möglichkeit gab es noch, und Dian war sich bewusst, dass er damit sein eigenes Leben riskierte. Durfte er das?
Er war ein hoher Druide, geschickt sowohl im Kampf als auch in der Heilkunst und mit immensen magischen Fähigkeiten ausgestattet. Wenn er sein Leben verlor, verlor damit Annwn einen seiner stärksten Männer, und die Fomore würden es leichter haben, in die Anderswelt einzudringen – und vielleicht nicht nur in diese. Eine Menge hing davon ab, ob er gegen sie kämpfen konnte. Das tat er so zwar auch recht häufig, doch blieb ihm dabei keine andere Wahl. Ein Dämon fragte nicht, bevor er angriff. Dian musste sich verteidigen, wenn es nötig
Weitere Kostenlose Bücher