Druidenherz
wurde.
Die Frau in seinen Armen regte sich. Ein leises Stöhnen kam über ihre Lippen, und ihre Lider flatterten unruhig. Aber sie war nicht wach, sondern stand vielmehr kurz vor dem Delirium.
Dian zögerte nicht länger. Es mochte an Wahnsinn grenzen, und im Geiste hörte er die mahnenden Worte seines weisen Lehrmeisters, aber in diesem Moment schaltete sich sein Verstand ab. Alles in ihm konzentrierte sich auf ein Ziel: diese Frau zu retten. Warum, hätte er niemandem, auch nicht sich selbst, erklären können. Von ihr ging etwas so Besonderes aus, das er selbst nicht verstand; er wusste nur: Sie war nicht wie andere Frauen. Und Dian kannte eine Menge, menschliche ebenso wie in der Anderswelt lebende. Manche von ihnen waren nach ihrem Tod nach Annwn gekommen und lebten hier eine andere Art der Existenz. Viele, wie die Feen und die meisten Kriegerinnen, entstammten dieser Welt und hatten nie eine andere betreten. Doch diese hellhaarige Fremde war mit keiner anderen Frau zu vergleichen, die er je getroffen hatte.
Erneut ließ Dian die Magie in ihren Körper strömen, ließ zu, dass sie vollen Zugriff auf ihn hatte, indem er eine magische Verbindung zu ihr herstellte. Schmerz und Hitze schossen durch seine Glieder. Er absorbierte den Schmerz, zog ihn weiter an sich heran und fort von dem Körper der Fremden. Gleichzeitig schenkte er ihr seine Magie, teilte seine enorme Kraft mit ihr, erfüllte sie mit mächtiger Energie.
Die Magie verband sie und ließ ihn noch viel stärker gegen das Fieber und die Entzündung in ihrem Körper kämpfen. Dian fühlte, wie er allmählich die Kontrolle verlor. Nun hing alles von seiner magischen Kraft ab. Sie war es, die sie beide am Leben hielt – oder ihnen beiden das Ende bringen würde.
In ihrem Fall wäre es der Tod, in seinem würde es noch weitergehen. Nur wenn er Glück hatte, wäre er tot – allerdings wartete auf ihn kein Dasein in Annwn. Die enorme Kraft würde seine Seele herumwirbeln wie eine Feder, und ein Dämon, der auch nur ein wenig geschickt in diesen Künsten war, würde leichtes Spiel haben, ihn zu seinem Sklaven zu machen.
Das durfte nicht geschehen! Der Sog des Todes zerrte an ihm, wollte ihn und die Frau in einen nie endenden Abgrund reißen. Nie zuvor war Dian ihm so nah gekommen. Als Heiler hatte er Sterbende gesehen und einigen von ihnen beim Übergang geholfen. Nicht jeder hatte dabei Annwn erreicht. Die Anderswelt stellte lediglich eine mögliche Station nach dem Ende der irdischen Existenz dar. Und auch Annwn war riesig – selbst Dian hatte bisher nur einen winzigen Teil dieses Reichs gesehen.
Jetzt regte sich die junge Frau, als wollte sie ebenfalls kämpfen. Gut so! Weiter. Er konzentrierte sich mit aller Kraft.
»Lass uns gemeinsam gegen den Tod kämpfen«, flüsterte Dian ihr zu, den Mund nah an ihrem Ohr.
Es war unwichtig, ob sie seine Sprache verstand. Sie würde den Sinn der Wörter begreifen, denn durch die Magie war sie ihm so nah wie nur möglich. Gesprochene Worte spielten dabei keine Rolle. Wenn zwei auf magische Weise miteinander verbundene Lebewesen kommunizierten, dann geschah das nicht mit Worten. Man fühlte nur.
Dian hatte diese Verbindung bisher nie in einem solchen Ausmaß erlebt. Mit seinem Lehrmeister hatte er sie zwar geübt, doch hatte der erfahrene alte Druide darauf geachtet, die Magie unter Kontrolle zu halten, und ihm vorher erklärt, dass auch diese Übung nicht ungefährlich war, obwohl keiner von ihnen krank oder geschwächt war. Daran erinnerte sich Dian nun. Er musste die Kontrolle behalten und sich rechtzeitig von der Kranken lösen. Aber gleichzeitig wusste er, dass er diese Frau nicht loslassen würde. Sie sollte leben. Und wenn nicht, dann würde er mit ihr sterben.
Unter der Schwäche spürte er ihre Kraft schwelen, ihren Lebenswillen. Sie war stark. Diese Kraft in ihr musste er wecken und durch seine eigene stärken. Dann würde es gelingen. Doch gleichzeitig spürte er auch den nahen Tod. Wie ein dunkler Schatten schien er schon über ihr zu schweben.
»Ja, kämpfe«, flüsterte er und streichelte mit den Fingern über ihre Stirn. »Du kannst es. Wir können es. Spürst du es? Fühlst du, wie stark wir gemeinsam sind?«
Noch einmal verstärkte er die Magie. Nun gab es nichts mehr, was sie trennte, und auch nichts mehr, was er zusätzlich geben konnte. Alles, was ihm blieb, war, darauf zu vertrauen, dass sie ihn nicht mit sich in den Abgrund der Verdammnis riss.
Doch genau das geschah. Dian spürte den
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