Druidenherz
auszukosten, und vor allem wollte sie Tante Mable endlich anrufen. In welcher Sorge sich ihre Tante befinden musste, wollte sie sich gar nicht ausmalen. Zumal sie doch nur einander hatten.
Imogen besaß keine Erinnerungen an ihre Mutter, denn sie war viel zu jung gewesen, als sie starb. Und über ihren Vater war nichts bekannt. Selbst Tante Mable hatte geschworen, kein Wort über ihn zu wissen, als Imogen sie kurz nach ihrem achtzehnten Geburtstag gefragt hatte. Bis dahin hatte sie geglaubt, ihre Tante verschweige ihr die Wahrheit, weil die vielleicht zu schrecklich war, ihr Vater im Knast saß oder überhaupt ein Krimineller war.
»Worauf wartest du? Die Wirkung verfliegt, wenn du zögerst.«
Beathans Worte holten sie aus ihren Erinnerungen zurück. Es war verlockend, den Becher zu leeren, aufzustehen und einfach wieder in die Highlands zu spazieren. Wo sie lang musste, würde ihr Beathan sagen, und wenn nicht er, dann Gwyd. Doch Imogen zögerte. »Warum hat Dian mir diesen Trank bisher nicht gegeben?«
Beathan kicherte. »Weil er nicht will, dass du gehst. Er will dich für sich haben, in seinem Bett.«
Die Worte hallten in ihr nach. Bislang hatte Dian keine solchen Absichten gezeigt. Allerdings war sie vermutlich nicht besonders ansehnlich. Ihr langes Haar konnte sie nur notdürftig pflegen, zum Waschen standen keine duftenden Zusätze parat, Deodorant gab es ebenfalls keines, und statt aufreizenden Dessous hatte man ihr sackartige Nachthemden gegeben. Zumindest erinnerten die Kleidungsstücke sie an solche Gewänder aus lange zurückliegenden Jahrhunderten.
»Er hatte schon viele Frauen«, fuhr Beathan fort, »junge, ältere, hübsche und weniger hübsche. Du wärst nur eine weitere. Er würde sich eine Weile mit dir vergnügen und dich dann fortschicken, wenn du ihm langweilig wirst, um die nächste in sein Bett zu holen.«
Eine Kerbe in seinem Bettpfosten, etwas anderes würde sie für ihn nicht sein. Sie wusste von Männern, die damit prahlten, mit wie vielen Frauen sie schon geschlafen hatten. Tante Mable hatte ihr immer gesagt, dass sie sich von solchen Typen fernhalten solle, damit es ihr nicht wie ihrer Mutter erginge, die schließlich schwanger und ohne Geld bei ihr Unterschlupf gesucht hatte. Wahrscheinlich war ihr Vater also genau so ein Mann gewesen, der ihre Mutter nur für ein kurzes Abenteuer benutzt hatte. Bestimmt hatte er nicht einmal geahnt, dass ihre Begegnung Folgen gehabt hatte.
Voller Sorge dachte Imogen daran, dass sie nicht verhütete. Bisher hatte dazu ja kein Anlass bestanden, und falls sie sich doch mal verlieben und eine Beziehung eingehen sollte, war dann immer noch Zeit genug, sich darum zu kümmern. Kondome bekam man schließlich überall.
»Willst du eine seiner Eroberungen werden?«, fragte Beathan. Er kicherte. »Man sagt allerdings, dass Dian kein besonders guter Liebhaber sei. Vielleicht verlässt er ja gar nicht die Frauen, sondern sie laufen nach einem Mal von selbst davon.«
Das konnte sich Imogen nicht vorstellen. Wahrscheinlich sprach der Neid aus Beathan, denn klein und schmächtig, wie er war, wirkte er nicht besonders attraktiv. Wieder blickte sie auf den Becher in ihren Händen. Was, wenn das kein Stärkungstrank war, sondern ein Betäubungsmittel, damit Beathan sie in sein Bett bekam? »Und warum hilfst du mir plötzlich?«
Ihre Frage schien Beathan zu verunsichern. Wieder wirkte sein Gesicht, als verschwömme es, die Züge flossen ineinander, und nur seine Augen ließen sich noch erkennen. Imogen blinzelte, doch der seltsame Eindruck blieb.
»Wieso nicht? Du bringst hier alles durcheinander, darum will ich, dass du verschwindest.«
Auf den Gedanken war sie schon selbst gekommen. Dennoch – irgendwie wurde sie das ungute Gefühl nicht los.
Und wenn sie es doch wagte? Vielleicht erst mal einen kleinen Schluck? Wenn ihr dann schwindelig wurde, konnte sie immer noch Gwyd rufen, damit er nach Dian schickte.
Entschlossen setzte sie den Becher an die Lippen.
In diesem Moment flog die Tür auf. Mit wehendem Cape schritt Dian auf sie zu. Er griff nach dem Becher, schnupperte daran, dann fixierte der Blick seiner dunklen Augen Imogen. »Hast du etwa davon getrunken?«
Seine harten Worte jagten ihr Angst ein, allerdings nicht vor ihm, sondern vor dem, was sich in dem Trank befand. Sie schluckte. »Nein.«
Dian legte beide Hände um den Becher und schloss die Augen. Angespannt beobachtete Imogen ihn. Was tat er?
Ohne Vorwarnung schleuderte er das Gefäß von
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