Drunter und Drüber
mir merken.«
Butch blickte sich um, um sicher zu gehen, dass niemand in der Nähe war, ging dann neben der hinteren Stoßstange von J.D.'s Mustang in die Hocke und schraubte den Deckel des Benzintanks auf. Es war ihm zuwider, immer noch hier rumzuhängen – er wollte endlich fort aus dieser Ödnis, zurück in das Leben, das er kannte.
Er schob einen Schlauch ins Innere des Tanks und überlegte, ob er seinen Plan, J.D. zu eliminieren, eventuell besser auf gab und seine Zelte hier in der Umgebung abbrach. Falls sein alter Kumpel tatsächlich etwas in den Nachrichten gesehen hatte, hatte er ihn doch zumindest bisher nirgendwo verpfiffen. J.D. schien in Gedanken nur noch bei der Brünetten mit den großen blauen Augen und dem ausladenden Vorderbau zu sein. Vielleicht also sollte er einfach packen und verschwinden.
Dann dachte er, ja, sicher. Als hätte sich J.D. jemals länger als ein paar Tage für ein Weibsbild interessiert. Und die verdammten Nachrichtensender konnten nicht aufhören mit der rührseligen Geschichte, die von der Familie des erschossenen Verkäufers in Umlauf gebracht worden war.
Mit neuer Entschlossenheit saugte Butch am oberen Ende des Schlauchs und steckte es dann in die Öffnung des ersten der beiden Zwanzigliterkanister, die er mitgebracht hatte, damit das Benzin aus dem Tank des Mustang nicht womöglich auf die Erde lief und dort verräterische Spuren hinterließ.
Nachdem Dru gegangen war, um nach ihrem Sohn zu sehen, wanderte J.D. rastlos durch die Räume seiner Hütte und suchte nach etwas – irgendetwas –, was er tun konnte, um nicht länger nachdenken zu müssen. Doch er fand nichts, also kehrten die Gedanken, die er so verzweifelt zu verdrängen wünschte, unweigerlich zurück. Er gäbe seinen linken Hoden, um nicht nachdenken zu müssen, denn das, was er empfand, seit Dru ihm ihre Liebe offenbart hatte, brachte ihn völlig aus dem Konzept.
Er hatte nur selten vor irgendetwas Angst; das war der Vorteil seiner rauen Jugend. Wenn man es schaffte, diverse Kinderheime und Pflegefamilien zu überleben, überlebte man beinahe alles, was einem das Leben an Widrigkeiten bot.
Aber wenn er ehrlich mit sich selbst war, musste er gestehen, dass ihn die von Dru eingestandene Liebe regelrecht panisch werden ließ. Er hatte Angst davor, wie sehr er diese Liebe wollte. Angst, dass er, wenn er sie akzeptierte, in eine Art Abhängigkeit geriet.
Angst davor, was aus ihm würde, wenn – verdammt, nicht falls - sie ihm diese Liebe irgendwann wieder entzog.
Eventuell waren diese Ängste nicht gerade rational, aber die Fähigkeit zu lieben und Liebe anzunehmen, basierte auf Vertrauen – und er hatte keine Ahnung, ob er überhaupt vertrauen konnte.
Und trotzdem ...
Ein großer Teil von ihm vertraute Dru bereits. Falls jemand sein Vertrauen verdiente, dann ganz sicher sie. Sie war grundehrlich und so wahnsinnig anständig – völlig unbefleckt von dem Schmutz und Elend, von dem ein Großteil seines Lebens gezeichnet worden war.
Und jetzt erwog er allen Ernstes die Möglichkeit einer Beziehung – zu einer grundsoliden Frau. Er zog sie tatsächlich ernsthaft in Erwägung! Und zum ersten Mal seit Jahren ging er nicht von vornherein von der Garantie des Scheiterns aus. Sie brachte ihn dazu , falls statt wenn zu denken. Falls die Sache am Ende schief ging und nicht sofort wenn.
Wenn das kein Vertrauen war, was dann?
Verdammt, es war doch sowieso alles längst entschieden. Niemals gäbe er diese Beziehung so einfach wieder auf. Zöge er jetzt den Schwanz ein, täte das nicht minder weh als weiter durchzuhalten und mit ansehen zu müssen, wie sie ihn am Schluss verließ. Er war praktisch veranlagt, weshalb also genoss er das, was sie zu bieten hatte, nicht, solange er es von ihr bekam?
Sein Marsch durch die Hütte brachte ihn ins Schlafzimmer zurück und er stoppte kurz und sah zum Schrank. Dann machte er wieder kehrt, um den Raum zu verlassen, blieb jedoch, noch ehe er die Tür erreichte, erneut stehen. Er durchquerte das Zimmer, öffnete die Tür des Schranks und griff nach seiner Tasche, die seit dem Tag seiner Ankunft im obersten Regal verstaut gewesen war.
Er setzte sich aufs Bett, starrte eine Zeit lang auf das in seinem Schoß liegende Gepäckstück und nahm schließlich zögernd Edwinas Briefe daraus hervor.
Er fischte nach der Uhr von Edwina Lawrences Vater, strich mit dem Daumen über die Gravur auf dem goldenen Deckel und betrachtete sie reglos. Dann steckte er sie zurück in seine Hose,
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