Dryadenliebe (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition)
die
Höhle mit seiner Beute. Leo hörte noch das Klappen der großen
Vorratstruhe, die, wie er wusste in der Ecke hinter dem
Trockenständer stand, dann kam Ronan wieder aus dem
Höhleneingang.
Er wischte sich die Hände an einem Tuch ab, ging zum Bach
und trat mit der Stiefelspitze das dünne Eis auf der Oberfläche
durch. Dann beugte Ronan sich vor, wusch sich gründlich die
Hände- wofür Leo ihm sehr dankbar war- und rieb sie an der
Hose trocken. Er hechtete mit zwei Sprüngen den kleinen Abhang
zum Bach hoch und stand vor Leo; winterfrisch mit kleinen
Atemwölkchen vor dem Gesicht.
"So besser?" fragte er.
Leo nickte.
"Willst du Tee? Oder einen Apfel?" fragte Ronan.
Leo konnte sich nicht vorstellen etwas zu trinken,
geschweige denn zu essen. Genaugenommen konnte er sich nicht
vorstellen, jemals wieder etwas zu essen.
"Gerade nicht, danke." Er wäre gern in die Höhle gegangen,
um sich am Feuer etwas aufzuwärmen, aber da lauerte die
Vorratskiste. Alles war besser als das. Also nahm er eine handvoll
Schnee und formte sie zu einem Ball.
Ronan riss gespielt ängstlich die Augen auf. "Das wagst du
nicht", sagte er.
Leo kicherte und warf so fest er konnte; Ronan sollte nicht
denken, er würde sich nichts trauen.
"Na warte!" rief Ronan, schüttelte die Reste des Schneeballs
von seinem Pullover und hockte sich in den Schnee. In Windeseile
knetete er eine ganze Reihe Schneebälle, griff sich zwei und warf.
Leo wusste, dass er im Vorteil war. Sein Pelz dämpfte den
Aufprall und nahm dem Schnee die Kälte, er musste die Flocken
nur schnell genug aus dem Fell bekommen, damit sie nicht
schmolzen. Auch er hockte sich hin und formte apfelgroße Bälle
vor sich, sorgsam darauf achtend, keine kleinen Steinchen mit
einzukneten, denn die konnten gemein wehtun, wenn man so
dünne Haut hatte wie Ronan. Ein Dutzend Schneebälle vor sich
hertragend, warf Leo Ball um Ball nach Ronan, bis dieser lachend
und prustend um Gnade bettelte. Leo ließ die restlichen
Schneebälle fallen und trat auf Ronan zu.
"Gut, dass du einsiehst, wer …"
Weiter kam er nicht, Ronan sprang wieder auf, den ganzen
Arm voller Wurfgeschosse, und deckte ihn mit einem solchen
Hagel ein, dass es sich anfühlte als sei er in eine Lawine geraten.
Es war nur ein Trick gewesen!
Leo sprang Ronan an und warf ihn in den Schnee. "Hör
auf!" rief er lachend.
Doch er hatte nicht mit dem kleinen Abhang am Bach
gerechnet. Zusammen mit Ronan rollte er die Schräge hinunter;
binnen eines Augenblicks verwandelte sich das zierliche Wesen in
seinen Armen in einen kräftigen, pelzigen Wolf. Der Wolf drehte
sich so, dass er unten lag, als sie am Boden anlangten. Leo landete
weich, von Ronans in den Boden gestemmten Pfoten davor
bewahrt, in das eisige Wasser des Baches zu rutschen.
Kurz fuhr Leo der Schreck in die Glieder; noch immer
versetzte ihn der Anblick eines Wolfes in die gleiche
Alarmbereitschaft, die seine Vorfahren seit Jahrhunderten vor
Wolfsangriffen gewarnt hatte. Trotzdem musste er lachen, als der
Wolf sich unter ihm hervorwälzte, den Schnee aus seinem Fell
schüttelte und sich zurückverwandelte. Das Hemd war offen, die
glatte weiche Brust frei und unbehaart, aber von Gänsehaut
überzogen.
"Ich wollte nicht, dass du so hart fällst- oder in den Fluss
rutschst. Du bist ja doch manchmal etwas ungeschickt", sagte
Ronan lächelnd. Dann, etwas ernster: "Ich hoffe, ich habe dich
nicht erschreckt."
Leo schüttelte erst den Kopf, nickte dann aber doch. "Nein.
Doch. Ein bisschen. Trotzdem Danke."
Ronan begann zu bibbern. "Wollen wir ans Feuer?"
"Na klar, mir ist auch kalt", schwindelte Leo.
*
Das Feuer war beinahe heruntergebrannt. Sie lagen auf
ihren Betten, seit er häufiger über Nacht in der Höhle blieb, war
ihm von Ronan ein festes Lager aufgebaut worden. Ronan war in
mehrere Decken gekuschelt, Leo lag mit nur einem Überwurf da.
Noch war ihm warm genug.
"Ist dir inzwischen wärmer?" fragte er Ronan.
"Es geht. Als Wolf ist mir nie kalt, nur als Mensch. Das
Rudel bleibt im Winter meist durchgehend in Wolfsgestalt."
Wie konnte man nur so dämlich sein? Leo wäre nie von
selbst auf die Idee gekommen, dass Ronan den ganzen Tag
freiwillig fror, um ihn mit seiner Wolfsgestalt zu verschonen. Und
er hatte ihn auch noch vom Feuer ferngehalten, den warmen Tee
ausgeschlagen, weil er den Gedanken nicht ertragen konnte, dass
Ronan das Tier in seiner Vorratskiste mit seinen Händen getötet
hatte. Beim Zipsel, er war so egoistisch gewesen.
"Willst
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