Dryadenmacht (Dryaden-Saga) (German Edition)
sein.
Aber wer sagte denn, dass er musste? Leo setzte sich auf. Niemand würde ihn daran hindern, die Nacht bei seinem Pferd in der Box zu verbringen und wenn der Aufseher sich anstellte, würde er ihm einfach sagen, dass er sich krank fühlte, dann musste er ihn im Stall schlafen lassen. Er schwang die Beine von der Strohunterlage auf die Dielen.
Es pochte leise an die Tür und Leo zuckte zusammen. Spielten seine überreizten Nerven ihm einen Streich? Er starrte furchtsam in die bewegten Schatten.
Doch dann hörte er die Stimme von Gatter.
„Röwe?“
„Ja?!“
„Röwe, bist du noch wach?“ klang es dumpf durch die Tür.
Was war das für eine dämliche Frage? Hätte er ja gerufen, wenn es nicht so wäre? Seufzend kam Leo auf die Füße. Obwohl er sich gerade noch Gesellschaft gewünscht hatte, wäre Gatter sicher nicht seine erste Wahl gewesen. Genaugenommen nicht einmal die Zweite, Dritte oder Vierte. Er öffnete die Tür und sah Gatter fragend an.
„I ch wollte noch ein wenig mit dir reden, ohne dass gleich alle zuhören. Hast du Zeit?“
„Komm herein.“
Gatter trat in das kleine Zimmer und sah sich um, schnupperte.
„Wenn du Häuptling bist, musst du das große Zimmer unten nehmen, das hier ist wirklich nicht angemessen.“
„Ich werde nicht Häuptling, hast du vorhin nicht zugehört?“ fragte Leo.
„Doch, doch, sicher habe ich zugehört. Ich dachte nur, dass du noch eine Nacht darüber schläfst...“, beeilte sich Gatter zu versichern.
Leo setzte sich wieder auf die dürre Strohschütte seines Schlafplatzes, und Gatter setzte sich unaufgefordert dazu.
„Wie ist es dir so ergangen in den letzten Jahren?“ fragte Gatter.
„Gut. Es ist anders in der Stadt, aber gut.“
„Das ist schön. Und malst du noch?“ fra gte Gatter.
„Ja. Du erinnerst dich daran?“ fragte er überrascht.
„Natürlich. Ich habe deine Bilder immer gemocht. Äpfelchen hätte dir öfter frei geben sollen, man konnte doch sehen, wie talentiert du bist.“
Leo lächelte. Vielleicht war Gatter doch kein so übler Kerl.
„Ich habe einiges gezeichnet in den letzten Jahren, aber ich habe nichts davon mit. Vielleicht kann ich dir die eine oder andere Arbeit zeigen, wenn ich mal wieder zu Besuch bin“, sagte Leo.
„Das würde ich wirklich gerne sehen, Röwe. Ist die Malerei der Grund, warum du nicht Häuptling sein willst? Das muss sich nicht ausschließen, weißt du? Ich bin ja auch der Stellvertreter für Trog im Stall gewesen, ich könnte dir die meiste Arbeit abnehmen, das ganze unwichtige und lästige Zeug. Genau genommen müsstest du nur bei offiziellen Anlässen als Häuptling auftreten. Es würde genug Zeit bleiben, um die schönsten Bilder zu malen. Und als Häuptling kriegst du ja auch ein Salär, du hättest immer genug Geld für Farben und Stifte. Und Leintücher.“
„Leinwan d“, korrigierte Leo mechanisch.
Die Gedanken in seinem Kopf begannen zu rasen. War es wirklich so einfach? Konnte er jemand anderen die Arbeit machen lassen und nur die angenehmen Seiten mitnehmen? Es stimmte schon, das Geld für Farben und Pinsel, Leinwand und Stifte war knapp gewesen in den letzten Jahren. Und jetzt, wo die Unterstützung seiner Eltern wegfiel, musste er sich vermutlich bei Hafer im Stall verdingen, um überhaupt ein bisschen Geld zu haben. Schließlich verdiente Ronan auch nichts. Der Gedanke an Ronan brachte ihn wieder auf den Boden der Tatsachen.
Er konnte hier nicht bleiben, ohne Ronan zu verlassen. Und das war das Einzige in seinem Leben, was er ganz sicher nicht tun würde. Außerdem war Fork mit Sicherheit die bessere Wahl für den Posten. Er liebte Weibchen, hatte sogar schon Nachwuchs, wie er Leo abends noch gestanden hatte, wenn auch nichts offizielles, also keinen Nachfolger. Er wollte Gatter gerade sagen, dass er sich endgültig entschieden hatte, als der von sich aus wieder zu sprechen begann.
Auch er schien in Gedanken bei Fork gewesen zu sein, denn er sagte:
„Ich weiß, du liebst deinen Bruder, aber ich muss dir vielleicht mal einiges über ihn erzählen...“
Leo horchte auf. Wollte Gatter wirklich über den neuen Häuptling herziehen?
„We ißt du, dein Bruder ist ein feiner Kerl, und in anderen Zeiten könnte man sich vermutlich keinen besseren Häuptling wünschen, denn er sorgt für die Pferde, liebt die Weibchen und macht jeden Spaß mit.“
Er machte eine Pause und Leo wurde ungeduldig. Er wuss te selbst, dass Fork perfekt war für das Amt, warum erzählte er ihm
Weitere Kostenlose Bücher