Dryadenmacht (Dryaden-Saga) (German Edition)
sind wichtig. Bist du nun Diplomat oder nicht?“
Leo trat die Flucht nach vorn an.
„Was wisst ihr schon vom Leben in der Stadt? Es ist dort laut und schmutzig, und die wichtigsten Leute wohnen da weit weg vom Stall. Wer von euch war denn schon einmal dort?“ Er sah in die Runde, bemüht, seine Brust möglichst breit zu machen zum Zeichen, dass man ihm vertrauen konnte.
„Ich!“ erklang eine Stimme hinter ihm.
Leo wirbelte herum.
„Onkel Hafer!“
Hafer trat auf ihn zu und umarmte ihn.
„Junge, geht es dir gut?“ Er schnupperte. „Du hast gebadet, hm?“ sagte er leise.
„Ja, ja, es geht mir gut. Was machst du hier?“
Sie haben mich zu deiner Wahl morgen eingeladen, es ist eine Herdenversammlung.“
Hafer wandte sich an die anderen. „Schön, den Stallgeruch Gagreins zu wittern!“
Die anderen johlten und stampften mit den strohigen Füßen auf Leos frisch geputzten Boden herum, aber das war wohl gerade sein geringstes Problem.
Hafer fuhr fort. „Ich war in der Stadt, lange, wie ihr wisst, und ich kann euch bestätigen, was der Junge gesagt hat. Die Stadt ist laut und schmutzig und die wichtigsten Leute kümmern sich am wenigsten um ihre Pferde, wohnen auch nicht nah am Stall. Und unser Le... – Röwe hier, der ist ein bisschen weiter raus gezogen, weil Blau sich da viel wohler fühlt. Habe ich Recht, Röwe?“
Leo nickte heftig.
Die Stallaufseher nickten ebenfalls; dass man da wohnte, wo das Pferd sich am wohlsten fühlte, besonders wenn man in der Fremde war, konnten sie sich sehr gut vorstellen. Warum war er selbst nicht darauf gekommen?
Gatter fuhr fort. „Setz dich doch Hafer, bist ja auch Stallaufseher, wenn auch in der Fremde. Aber an unserem Trog ist immer ein Platz für dich. Also“, er räusperte sich, “jedenfalls hat die Elfenherde einen neuen Anführer, wenn auch nur als Stellvertreter, und der will wohl die Portale abtrennen, um Telemnar zu isolieren. Das geht natürlich nicht, denn zum einen bekommen wir dann kaum Zuchtmaterial nach, zum anderen entstehen dadurch auch die Risse, denen unser Häuptling und seine Frau zum Opfer gefallen sind. Es kann sogar sein, dass es die zweite Ebene zerreißt und die Pferde in Gefahr sind, was red’ ich, sie sind jetzt schon in Gefahr. Es war großes Glück, dass Trog und Äpfelchen zu Fuß unterwegs waren, als das Unglück passierte.“
Alle nickten, auch Leo.
Gatter stand auf. „Das war ein ereignisreicher Tag. Wir treffen uns morgen noch einmal vor der Herdenversammlung, gleich nach dem ersten Füttern, vielleicht überlegt sich unser Häuptlingssohn hier bis dahin noch einmal, wo er seine Trense aufhängt.“
Gatter nickte in die Runde und die Versammlung war beendet.
Spinnweben und kleine Strohhälmchen baumelten über seinem Kopf. Leo fühlte sich furchtbar einsam. Hafer war vor einer Viertelstunde gegangen, um nach seinen armen Eltern zu sehen; der Tod ihrer Tochter hatte die beiden ziemlich mitgenommen, das hatten sie Hafer wohl zumindest geschrieben. Auch er musste daran denken, sie morgen zu besuchen, das gehörte sich so. Dabei hätte er so gerne noch mit seinem Onkel geredet, ihn um Rat gefragt. Und Ronan musste sich irgendwo da draußen herumtreiben, frierend und einsam, anstatt wie sonst neben ihm zu liegen. Nicht einmal Blaus Schnauben würde ihn trösten, denn Blau, der sonst nur zwei Meter entfernt am Höhleneingang angepflockt war, die Leine so lang, dass er bei schlechtem Wetter zum Unterstellen in die Höhle konnte, war im Stall bei den anderen Pferden. Oh, Blau würde das mit Sicherheit genießen, aber er würde Leo bestimmt auch furchtbar vermissen.
Sein altes Lager unter dem Dach aus Kindertagen sah aus wie eine gemütliche Box, aber es roch nicht mehr so. Der warme Geruch nach bewohntem Stroh ging dem staubigen Häufchen vertrockneter Halme, die seit sechs Jahren niemand mehr ausgewechselt hatte, komplett ab. Das einzige, was Leo tröstete, war das Schaukelpferd in der Ecke, sein Schaukelpferd. Wie viele Ausritte hatte er als kleiner Junge auf dem Pferd unternommen? Er wusste es nicht mehr, aber die Seiten waren blank gescheuert von seinen Fersen und die Mähne dünn vom Festhalten bei wilden Ritten durch seine Fantasie.
Der Mond verschwand hinter einer Wolke und es wurde noch dunkler draußen. Die Schatten, die ihn als Kind so geängstigt hatten, zuckten auf den Wänden seiner Box im Rhythmus der flackernden Stalllaternen draußen. Leo spürte, wie sein Herz schneller schlug. Er wollte nicht hier
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