Dryadenmacht (Dryaden-Saga) (German Edition)
oberen Zapfen. Tatsächlich, er war eiskalt. Einige der messerscharfen Zapfen waren recht kurz, so wie der, der sie am Bein erwischt hatte. Aber die Mehrzahl war mindestens anderthalb Meter lang, verteilt über die ganze Breite der Mauer. Sie würde springen müssen.
14. Neue Ordnung
Das dumpfe Dröhnen und Poltern aus der Halle oben schmerzte in seinen empfindlichen Ohren, aber Miriél war der Schmerz willkommen wie ein Bruder.
Seit er vor einigen T agen entdeckt hatte, wie er an Regenwasser gelangen konnte, war der Met nicht mehr die einzige Flüssigkeit, die er zu sich nahm – und das zeigte langsam Wirkung.
Sein Kopf wurde von Tag zu Tag klarer, die Erinnerungen kamen zurück. Sogar seine Elfenkräfte erholten sich, wenn auch langsam, nach all der Zeit. Wie lange hielten sie ihn schon hier unten gefangen? Er wusste es nicht. Sie mussten auf der ersten Ebene sein, denn er empfing die Erinnerungen seines Volkes schon seit dem ersten Abend, den er hier verbracht hatte nicht mehr. Was würde er darum geben, mit den anderen verbunden zu sein. Zu spüren, wie es seinem Sohn ging.
Er fühlte sich alt, sehr alt, a uch das war einer der Gründe, warum er sicher war auf der ersten Ebene zu sein. Wo sonst alterte man so rapide? Es gab keine Frage, wenn er seinen Sohn noch einmal sehen wollte, musste er ausbrechen.
Das kleine Oberlicht in seiner halbrunden Zelle verdunkelte sich und Miriél juchzte leise. Er hatte gehofft, dass es heute noch Regen geben würde.
Miriél nahm den Pappteller, auf dem sie ihm in letzter Zeit immer sein Essen servierten, nachdem er die Porzellantelle r nach Ihnen geworfen hatte, und drückte ihn so zusammen, dass eine Art Rohr entstand. Dann stieg er auf seinen Aborteimer und schob das Papprohr in den Spalt neben der Fensternische, an die er gerade so herankam. Ihm war vor einiger Zeit aufgefallen, dass an dieser Stelle Wasser in die Zelle rann, und das ergab durchaus Sinn: Wenn der Wind richtig stand, war das Innere seiner breiten Fensternische wie eine Rutsche.
Vermutlich wäre ihm das gar nicht aufgefallen, wenn die kleine Schwarzhaarige, mit der sein Entführer sich immer vergnügte, an dem Tag nicht schon wieder so schlampig gewesen wäre seine Met-Ration zu vergessen. Durch ihre Nachlässigkeit war er besonders wach gewesen – und besonders durstig. Er gestand es sich nicht gerne ein, aber das Zeug machte abhängig. In seiner Not war ihm das Rinnsal an der Wand aufgefallen, und in seiner Verfassung hätte er alles getrunken, was flüssig war.
Miriél horchte auf Geräusche an der Treppe, aber es blieb alles still, bis auf das einsetzende Tröpfeln des R egens. Er griff noch einmal hoch und drückte den Teller behutsam mit Zeigefinger und Ringfinger oben etwas auseinander. Es entstand eine Art Trichter, so würde der Regen auch bei ungünstigem Wind zu ihm in die Zelle laufen.
Sein Plan ging auch dieses Mal auf. Sob ald die ersten dickeren Tropfen fielen, begann das Wasser erst in einem dünnen Rinnsal, dann in einem richtigen Strom aus dem Papprohr zu laufen.
Miriél stieg von dem Eimer, holte den Met -Krug, goss dessen Inhalt in den leeren Eimer und ließ das Wasser in die Flasche strömen. Als der Krug voll war, hielt er beide Hände unter den Strahl und trank soviel er konnte. Wenn er es geschickt anstellte, würde das Wasser vielleicht bis zum nächsten Regen reichen. Wenn er jemals hier heraus wollte, brauchte er einen klaren Kopf.
Schwere Schritte kamen die Wendeltreppe herunter, er musste das Öffnen der Tür oben überhört haben, ganz waren seine Sinne wohl noch nicht wieder die Alten.
Hastig stieg er auf den Rand des halbvollen Eimers, riss das Papprohr aus dem Spalt, warf den Teller in die Ecke, hob den Eimer, goss sich etwas von dem Met über das Hemd und setzte den Krug an.
Keinen Augenblick zu früh, denn die große schwarze Vogelscheuche, die die Tallyner seit Jahrhunderten den Vogt nannten, stand vor seinem Gitter. Der Mann war so böse wie abstoßend. Miriél schüttelte sich und kniff die Augen zusammen, ein zu wacher Blick hätte die misstrauische Ratte sicher aufgeschreckt. Zeit für seine Vorstellung.
„Gjib mier noch was vonnem Met, Mensch, es ist nicht nett mich durs sig zu lassen...“, sagte er.
Anstelle einer Antwort nahm der Vogt seinen Gehstock und klapperte damit über die Gitter, wie schon so oft. Anfangs war Miriél sicher gewesen, dass der Vogt das aus reiner Boshaftigkeit tat, inzwischen war er sich aber nicht me hr so sicher. Seit sein
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