Dryadenmacht (Dryaden-Saga) (German Edition)
wieder aufbauen.
Der Vogt stieg die ausgetretenen Steinstufen zu der Kirche, die er sich für diesen Auftritt ausgesucht hatte, weil ein Brunnen auf dem Platz davor stand, hinauf und reckte die Arme gen Himmel, bevor er mit dunkler Stimme rief:
„Das Ende ist nah. Wer nicht in den Schoß der Kirche zurückkehrt und seine Sünden büßt, wird den vollen Zorn Gottes zu spüren bekommen.“
Einige Menschen blieben stehen, hielten die Hände über die Augen, um gegen die seitlich an der Kirche vorbeistrahlende Morgensonne seine Gestalt ausmachen zu können. Ein junger Mann ganz vorn, am Fuß der Treppe, zückte sein Handy und richtete es auf den Vogt wie ein zur Abwehr des Bösen emporgehobenes Kreuz.
„Voll krass, was für ein Spinner . Leute, dass wird ein endgeiles Video“, murmelte er, zwar leise, doch laut genug, dass die Umstehenden und auch der Vogt es gut hören konnten.
Der Vogt sammelte sich, umfas ste das Glasröhrchen mit dem breiten Korken in seiner Manteltasche fester.
„ Die, die falsche Götter anbeten, wie Technik oder den schnöden Mammon, werden als Erste sterben und ihr Tod wird ohne Beispiel sein. Gott wird sie verbrennen, und es wird niemandem gelingen, die Flammen seines Zornes zu löschen!“ rief er.
Der Junge vorn begann zu lachen.
Der Vogt nahm die Hände herunter und steckte sie in die Taschen, zog mit der Rechten unauffällig das Glasrohr heraus und schloss in der anderen Tasche die linke Hand um den Südstein. Mit dem Daumen drückte er den Korken aus dem Glas und ließ den präparierten Leuchtkäfer heraus.
„DER ZORN GOTTES WIRD DICH VERNICHTEN!“ rief der Vogt. Der kleine Käfer macht sich auf den Weg, folgte der Richtung, die die Augen des Vogtes ihm vorgaben. Er spürte, wie der Stein in seiner Hand warm wurde.
„Was starrst du mich so an, Alter, glaubst du, ich hab´ Angst vor dir?“ feixte der Junge. Er drehte das Handy zu sich herum und sprach direkt in die Kamera: „Tja, Leute, das war´s für heute von Jonas auf Youtube, ich glaube die Show ist vorbei, dem Freak ist die Luft ausgeg...“
Weiter k am er nicht, denn ein kleiner Funken glomm auf seinem Sweatshirt auf und setzte die Kleidung des Jungen, der immer noch das Handy hielt und alles filmte, in Brand.
„Hilfe!“
Einige der Umstehenden zückten ihre Handys ebenfalls, wohl die, die noch an eine Gaukelei glaubten, doch die Stimmung würde gleich umschlagen, wenn sie die Schmerzensschreie des Jungen vernahmen. Der Vogt lächelte still in sich hinein und wartete ab.
Er musste nicht lange warten.
„Verdammt, der brennt echt, tut doch was, was ist denn das für ein Scheiß!“
Der Junge warf sich auf den Boden, rollte herum, versuchte die Flammen zu ersticken.
Ein beherzter Passant griff sich eine Einkaufstasche. Leerte sie kurzerhand auf dem Pflaster aus und füllte sie mit Wasser aus dem Brunnen, das er dem Jungen über die Kleidung kippte. Ein anderer folgte seinem Beispiel, doch die Schreie des Jungen ebbten nicht ab und die Flammen breiteten sich weiter aus.
Der Vogt rieb sich die Hände. Es war gleichgültig, wie viel Wasser sie herbeischleppten, das tardische Feuer ließ sich nicht mit Wasser löschen. Seine Idee war genauso einfach wie brillant gewesen: Er hatte die Leuchtkäfer mit dem tardischen Feuer versetzt und konnte sie so als Waffe einsetzen. Normalerweise wären die Tierchen sofort gestorben, aber der Südstein hielt sie in ihrem Glaskasten am Leben, solange er nur nah genug an den Käfern lag. Er seufzte. Das war der einzige Wermutstropfen an diesem wunderschönen Morgen. Da er nur einen Südstein hatte, würde der Rest der Krabbelviecher verreckt sein, wenn er nach Hause kam.
Sei´s drum.
Der Vogt riss noch einmal die Arme in die Luft und genoss für einen Augenblick die Schmerzensschreie. Wie gerne wäre er bis zum bitteren Ende geblieben, aber er wollte nicht gierig sein. Das hätte die Wirkung seines Auftrittes doch ziemlich abgeschwächt – und er würde noch genug Schreie zu hören bekommen, bevor er mit der ersten Ebene fertig war. Also rief er:
„ Ich komme wieder, der Herr lässt sich nicht abweisen!“ und verschwand vor aller Augen.
16. Alles, was zählt
Die Landung war hart.
Julie schlug mit einem Knie und den Handballen so fest auf, dass sie die Zähne zusammenbeißen musste , um nicht aufzuschreien. Erst nach der Landung nahm sie wahr, dass etwas an ihrem Rücken entlang gestreift hatte. Die Kälte der Kammer kroch zwischen ihre Schulterblätter und ließ sie
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