Dryadenzauber (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition)
„Elf Daan, seid gegrüßt. Unsere Stadt ist Eure Stadt, solange es Euch beliebt“, sprach Chris die festgelegten Worte. Sie standen jedem erwachsenen Elf zu, der zum ersten Mal die Stadt betrat, solange Frieden herrschte, so wollte es das Gesetz. Und da Daan als Jüngling gegangen und als erwachsener Elf wiedergekehrt war, war er offiziell das erste Mal in Tallyn – egal wie lange Chris ihn schon kannte.
Daan erwiderte die Verbeugung respektvoll. „Ich danke und nehme die Einladung an“, gab er ohne zu zögern zurück, denn das Wissen seiner Ahnen legte Daan die richtigen Worte auf die Zunge.
Chris schlug einen Gong mehrmals an. Der tiefe dröhnende Ton war weithin zu hören. Draußen wurden Boten losgeschickt, die überall verkündeten: „Ein Elf ist in der Stadt.“
Nachdem Chris die Gefährten verabschiedet hatte, sandte er noch einen Boten los. Es war Zeit, die zweite Anwärterin zur Dryade zu schicken.
Swantje, Tonia und Dolf befanden sich auf dem Weg zur Quelle. „Denkt daran, behandelt sie höflich, die Dryade kann uns eine Menge Scherereien machen, und ohne Amulett kommt Swantje nicht in den Raum des Schicksals“, mahnte Tonia.
Genervt wischte Dolf einen Ast zur Seite, der Swantje, die hinter ihm ging, ins Gesicht flipste.
„Autsch! Pass doch mal auf! – Die machen aber auch ein Brimborium um diese Baumtante, die können uns doch einfach den Schlüssel geben und fertig“, maulte Swantje.
Wie aus dem Nichts tauchte Dendra auf dem Weg vor den dreien auf; sie hatte die Gefährten abholen wollen, so wie die anderen drei vorhin. In wehendem Kleid, das begehrte Amulett auf dem feinen Stoff sanft schimmernd, stand die Baumfrau vor ihnen. Die Bemerkungen und Dolfs Unachtsamkeit gegenüber Swantje waren ihr nicht entgangen. „Dreht wieder um; ihr bekommt das Amulett nicht!“, sagte Dendra mit klarer Stimme. Sie blickte in drei erschreckte Gesichter, es hatte auch von ihnen keiner damit gerechnet, dass die Dryade nicht an der Quelle wartete.
„Dendra, lass dir erklären“, begann Dolf.
„Was?“, fragte die Dryade. „Wie man Scherereien vermeidet? Das kann ich euch sagen: Ehrlichkeit. Loyalität. Mitgefühl. Bescheidenheit. Unterbrecht mich, wenn euch eines der Worte bekannt vorkommt.“
Die drei waren verdattert, keiner sagte ein Wort.
„Dachte ich mir“, sagte Dendra hart. Sie drehte sich ohne ein weiteres Wort um und ging den Weg entlang in Richtung Dryadenquelle. Wütend schnappte sich Tonia einen am Wegesrand liegenden Knüppel. Mit Anlauf rannte sie auf die Dryade zu, um ihr den schweren Ast über den Kopf zu ziehen. „Wenn du es so haben willst!“, rief Tonia dabei. Während das Holz in Richtung Schädel niedersauste, ging plötzlich ein Ruck durch Tonia, als habe ihr jemand mit großer Wucht in den Bauch getreten. In hohem Bogen flog sie seitlich an einen Baum, der Knüppel faserte als feiner Regen aus Sägemehl langsam zu Boden. Die Dryade drehte sich nur halb um, wie zu einem Gegner, den man nicht ernst nimmt. „Um mir mit Gewalt das Amulett zu nehmen, musst du dir schon etwas Besseres einfallen lassen“, sagte die Baumfrau abfällig und ging weiter, als sei nichts geschehen.
In einem der drei Augenpaare der Gescheiterten blitzte es boshaft auf. Aber das gemurmelte „Das habe ich schon“ hörte Dendra nicht mehr. Sonst wäre sie vorsichtiger gewesen.
Julie und Daan gingen froh über den Platz. Die Sonne schien, die Musik spielte und überall wurde gebraten und vorbereitet. An fast jedem Stand hielt man ihnen Schüsselchen mit Dingen zum Probieren hin. Gegrillter Mais, saftiges Kaninchen frisch vom Rost, dampfende Suppe in kleinen Schalen, rote Waldbeeren; alle wollten Julie und den neuen Elfen bewirten.
Viele der Elfen hielten sich die meiste Zeit weder auf der Erde noch in Tallyn auf, so dass die Anwesenheit eines von ihnen etwas Besonderes war. Dass dieser Elf sich nun auch noch bereit erklärt hatte, als Gefährte in Tallyn zu bleiben, machte den Einwohnern Mut. Er würde das erste Ratsmitglied mit dem legendären Blut der Elfen sein, wenn Julie ausgewählt wurde. Deshalb war die Stimmung besonders ausgelassen.
Doch plötzlich brach Julie, kreidebleich, mitten im Schritt zusammen. Ihr Bauch fühlte sich an, als sei in ihn hineingehackt worden. Übelkeit schoss in pulsierenden Wellen durch ihren Körper, und beinahe hätte sie sich vor den Augen der anderen übergeben. In Julies Kopf machte sich eine Stimme breit: „Hilf! Oh bitte hilf!“ Dann war der Spuk
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