Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dryadenzauber (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition)

Dryadenzauber (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition)

Titel: Dryadenzauber (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Niespor
Vom Netzwerk:
verstand jetzt seine Angst, den zugewiesenen Posten zu verlassen. Sicher gab er sich die Schuld daran, dass der Kleine damals entführt worden war. Doch Julie war Urs nicht böse; der Vogt hätte andere Mittel und Wege gefunden, um Lara unter Druck zu setzen, soviel war sicher.
    Endlich in Tallyn, ging Julie gleich zum Essplatz; es war lange her, dass sie etwas gegessen hatte. Die meisten der Feuer waren aus, aber über einem hing noch ein Kessel mit Suppe für diejenigen, die abends nach dem Training noch Hunger bekamen. Trotz der Möglichkeit, sich das Essen herbeizuzaubern, kochten viele Tallyner einfach gerne selbst. Erfreut füllte Julie sich eine der hölzernen hellen Schüsseln und brach sich ein Stück von dem feinen Maisbrot aus dem Körbchen ab. Sie nahm sich nicht die Zeit, sich zu setzen, sondern aß im Stehen. Ohne den Trank waren ihre Chancen sicher schlecht, da würde Julie jede Hilfe brauchen, die sie bekommen konnte. Wenn die Wurzel sie stärker machte, musste Julie die Gelegenheit nutzen. Julie überlegte, ob sie Mathys und Daan Bescheid sagen sollte, entschied sich aber dagegen. Sie wollte mit diesen Neuigkeiten erst einmal eine Weile alleine sein, Julie wusste ja selbst noch nicht, was sie von all dem halten sollte.
    Julie kannte den Weg zu Myras Baum nicht. Sie wusste nur, dass er im Jagdwald stand. Sie verließ den Essplatz in Richtung Kampfkunstschule, bog aber an Leung Jans Haus in den Wald ein. Der erste Teil des Waldes war noch hell und freundlich, aber schon nach wenigen hundert Metern war es stockduster. Julie fluchte; warum hatte sie nicht an ein Talglicht gedacht? Schmerzhaft stieß sich Julie das Schienbein an einer vorspringenden Wurzel. Ein Käuzchen schrie; in der Dunkelheit klang das Geräusch beunruhigend.
    Die Flämmchen! War diese Fähigkeit doch nicht so nutzlos, wie Julie gedacht hatte? Jetzt gerade wäre etwas Helligkeit wirklich willkommen! Ob sie es noch hinbekam? Julie hatte sich um ihre Fähigkeiten kaum gekümmert, es war immer so viel anderes zu üben gewesen. Sie konzentrierte sich. Versuchsweise schnippte Julie mit den Fingern; ein kleines blaues Flämmchen erschien. Julie wartete eine Weile; ob es an den Fingern heiß wurde? Als nichts weiter geschah, war sie beruhigt. Anscheinend verbrannte man sich nicht die Finger. Julie bückte sich nach einem trockenen Blatt und hielt das Flämmchen daran. Es loderte sofort hell auf und brannte lichterloh. Erschrocken stampfte Julie das Blatt mit dem Fuß wieder aus. Offenbar verbrannte nur sie sich nicht. Etwas anderes anzuzünden ging jedoch problemlos. Feuer im Wald, das hätte auch schief gehen können!
    Trotz ihres wild klopfenden Herzens ließ Julie die kleine Flamme weiter leuchten, achtete aber jetzt sorgfältig darauf, nicht irgendetwas Brennbares damit zu berühren. Mit der kleinen Flamme beleuchtet, war der Weg deutlich besser auszumachen. Julie erkannte eine Lichtung wieder. Hier war sie mit den anderen gewesen, als sie Theoprast gefunden hatten. Julie folgte dem Weg weiter in das Dickicht des Waldes. An dieser Stelle war sie noch nie gewesen. Immer tiefer und tiefer ging Julie in den Forst. Inzwischen war es empfindlich kalt geworden, aber Julie spürte es nicht. In ihrem Inneren breitete sich eine nie gekannte Wärme aus. Sie war jetzt ganz sicher, wo der Baum ihrer Ahnen stand. Es war, als habe die räumliche Nähe zu dem Baum etwas ausgelöst. Julie spürte jedes Gewächs des Waldes, jeden Weg, jeden Stein.
    Endlich sah Julie den Baum, ihren Baum. Es war eine mächtige Eiche mit weit ausladendem Geäst. Julie trat auf den Baum zu und berührte die Rinde. Der riesige Baum erbebte, jedes einzelne Blatt, jedes Ästchen begrüßte die zurückgekehrte Baumfrau. Wie eine Welle durchfluteten Julie Glück und Kraft. In ihr machte sich eine unerschütterliche Gewissheit breit: Sie würde sich nie mehr in einem Wald dieser Welt verlaufen. Dankbar sank Julie vor dem Baum auf die Knie; das weiche Moos lud zum Verweilen ein. Für einen Moment vergaß Julie den Wunsch nach der Wurzel, den Wunsch, Myra zu treffen, und sogar den Wunsch, die neue Hüterin zu werden. Sie war zuhause; das war alles, was zählte.
    Mit geschlossenen Augen, den Rücken an den erstaunlich warmen Stamm gelehnt, atmete Julie tief ein und aus und nahm die Kraft des Baumes in sich auf. Dabei war sie nur zu einem Viertel Baumfrau; wie musste es da erst reinblütigen Dryaden gehen?
    „Lara!“, schrie jemand hysterisch auf. Julie riss die Augen auf und

Weitere Kostenlose Bücher