Dryadenzauber (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition)
hängenden Ohren; sie lockte einen zu sich und kraulte ihm das Fell. Ein anderer der Hunde versuchte Tonia dazu zu bringen, ihn zu streicheln. Die schubste ihn mit den Worten „Igitt, du sabberst“ ein Stückchen weiter weg. In diesem Moment tauchte der Falkner auch schon auf. Im hellen Vormittagslicht wirkte die lange Narbe nicht mehr so bedrohlich; der Rest der ungewöhnlichen Gestalt in der einfachen Kutte sah genauso aus wie am Tag zuvor.
„Guten Morgen“, begrüßte er die Schüler kurz, “bitte setzt euch. Wir werden uns heute ein wenig Verständnis für die Greifvogelkunde erarbeiten. Wenn ihr in eure Taschen schaut, sollte da inzwischen das Buch ‚De arte venandi cum avibus – Über die Kunst, mit Vögeln zu jagen!’ erschienen sein. Bitte lest in dem Buch sooft ihr könnt, es steht viel Wissenswertes über die Tiere darin.
Milo breitete vor den Anwärterinnen Unmengen detailgenauer Informationen zu den verschiedenen Arten von Vögeln aus. „Die Habichte, Überraschungsjäger des Waldes; die Adler, Sinnbild für Mut und Kraft; die Jagdfalken, elegante Ritter der Lüfte; und die Uhus, die größten lautlos jagenden Nachtgreifvögel.“
Julie machte sich eifrig Notizen.
„Durch die nachhaltige Beschäftigung mit dem Beizvogel kommt es zwischen Falkner und Vogel zu einer lockeren Bindung. Hierauf folgt, dass der Falkner den Greifvogel bei seiner Jagd unterstützt.“
„Ganz schön anstrengend“, dachte Julie. Ein kurzer Blick in die Runde in einer der seltenen Sprechpausen Milos zeigte ihr, dass es den anderen genauso ging. Mit erschöpften Gesichtern saßen alle da und kritzelten mit verkrampften Fingern auf das mitgebrachte Papier. Für viele war das Thema völlig neu – Milo hätte ihnen auch erzählen können, dass Falken Nashörner jagen; die Mädchen hätten es ihm abgenommen. Daan und Mathys hingegen war das alles längst bekannt; Daan jagte mit den Tieren seit er acht war, er lief inzwischen fast so schnell, wie sie flogen. Mathys hatte seine Falknerprüfung vor zwei Jahren abgelegt.
Swantje hatte eine Weile vorgegeben zuzuhören. Eigentlich interessierte sie der ganze Vogelkram überhaupt nicht. Obwohl Tonia ihr schon morgens im Zelt recht deutlich gemacht hatte, wie wichtig diese Prüfung war, beschäftigte Swantje etwas ganz anderes. Sie hatte nach dem Aufwachen mit ihren Gefährten Dolf und Tonia Ähnliches wie Julie und die anderen veranstaltet, um herauszufinden über welche Eigenschaften sie verfügte. Dabei hatte sich herausgestellt, dass sie Energie von anderen magischen Wesen abzapfen konnte, wenn diese nichts dagegen hatten. Auch das Bewegen von Gegenständen nur mit der Kraft des Geistes war ihr unter Tonias Anleitung gelungen. Dolf und Tonia hatten noch ewig weiter getestet, aber es war bei zwei Eigenschaften für Swantje geblieben. Swantje war genervt, als sie sich ihrer Sitznachbarin Tonia zuwandte. „Findest du den Unsinn auch so langweilig?“
Tonia, immer noch enttäuscht von den wenigen Eigenschaften Swantjes, fauchte sie an: “Lass mich in Ruhe, ich will zuhören!“
Mitten in seinem Exkurs über Niederwild und die Auslese schwacher Krähen stutzte Milo plötzlich. „Gibt es etwas, was du uns mitteilen möchtest, junge Dame?“, fragte er ironisch.
So feige Swantje häufig war, vor Lehrern hatte sie wenig Respekt. Eigentlich hatte sie Lehrkräfte ein Leben lang als Angestellte ihrer Eltern betrachtet. So redete sie sich jetzt um Kopf und Kragen. „Ich finde diesen ganzen Theoriekram langweilig“, tönte sie und blickte sich Beifall heischend um. „Wir können doch einfach mit dem Vogelkram direkt anfangen.“ Doch statt der zustimmenden Mienen ihres ehemaligen Schickimicki-Clans erblickte sie empörte Gesichter ihrer entsetzten Mitschüler, die sich bis dato geflissentlich Notizen gemacht hatten.
„Das hättest du wohl gerne! Glaubst du im Ernst, ich lasse solche Küken wie euch an meine wertvollen Falken, wenn ihr nicht mal ein Minimum an Grundkenntnissen habt?!“, donnerte Milo mit dröhnender Stimme, so dass auch den Zuhörern in den letzten Reihen fast die Trommelfelle platzten. Mit dem Falkner war nicht zu spaßen, soviel war sicher. „Du läufst jetzt vier Runden um die Hütte, und zwar zack, zack!“
„Aber …“, setzte Swantje an.
„In Ordnung, fünf Runden, noch Fragen?“, Milo, höchst gereizt, stand jetzt geduckt wie eine Wildkatze vor dem Sprung. Ohne ein weiteres Wort setzte sich Swantje in Bewegung. Sie hatte begriffen, dass
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