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Dryadenzauber (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition)

Dryadenzauber (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition)

Titel: Dryadenzauber (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Niespor
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„Ja, es geht mir gut. Hast du schlimme Schmerzen?“
    „Es geht schon.“ Das anschließende Stöhnen strafte seine Worte Lügen.
    „Was ist denn passiert?“, fragte Julie.
    „Da war … ein Mann“, sagte Herr Denes. „Ich dachte erst, er sei ein Pfarrer, aber dann hat er angefangen Fragen zu stellen. Er sah … böse aus. Ich wollte nicht antworten, ich kannte den Mann doch gar nicht. Er ist sehr wütend geworden und hat gesagt, er würde sowieso bekommen, was er will. Der Mann hat etwas geschleudert, was wie eine Flamme aussah, ganz blau. Plötzlich war alles nur noch Schmerz, und ab da weiß ich nichts mehr.“
    Julie streichelte seine Hand. „Wie bin ich denn hierher gekommen?“, fragte Herr Denes nach einer Weile. Julie blickte sich suchend um. Leung Jan stand direkt hinter seiner Schülerin. „Wir haben Sie zu Ihrem Schutz beobachtet; aber wir waren nicht schnell genug. Die Leute des Vogts haben Sie angegriffen. Hier sind Sie sicher.“
    Das Reden und Zuhören hatte den Kranken zu sehr angestrengt, er fiel er wieder zurück in eine leichte Bewusstlosigkeit.
    In Julie brodelte die Wut über den Vogt. Unschuldige Menschen so mit in die Sache hineinzuziehen! Der Anschlag auf sie selbst war eine Sache gewesen, aber ihren Vater anzugreifen?! Leise flüsterte Julie den ersten Racheschwur ihres jungen Lebens: „Was auch geschieht, Papa, das wird er büßen.“ Zu Leung Jan gewandt sagte sie mit einer Verbeugung: „Es ist Zeit, wieder zu trainieren, Sifu, ist es Euch recht?“
    Leung Jan nickte bedächtig. „Das wird ein harter Kampf. Besser du gehst gleich. Wenn er wach ist, rufe ich dich.“
    Julie verbeugte sich erneut und ging.
    In den folgenden Wochen war sie nur selten lange am Bett ihres Vaters. Julie nutzte nun wieder jeden freien Moment, um zu üben. Morgens stand sie vor den anderen auf und ging laufen. Doch die wunderschönen neblig-grünen Morgenlandschaften Tallyns erreichten Julies Herz nicht. Sie hatte nur ein einziges Ziel: zu gewinnen und die neue Hüterin zu werden. So konnte sie das Versprechen einlösen, das sie ihrer Mutter gegeben hatte. Und der Vogt würde für alles bezahlen, was er ihrem Vater angetan hatte! Das Laufen war anstrengend, der Schweiß rann Julie in Strömen über das Gesicht. Die Arme und Beine schmerzten. Julie setzte sich kurz auf den grünen Boden; sie war unendlich traurig, und ihr tat alles weh. Sie weinte eine Weile, dann stand sie wieder auf. Sie durfte nicht nachlassen.
    Schritt um Schritt, Klafter um Klafter lief Julie, mit jedem Tag ein bisschen weiter. So verbissen, dass es selbst die Mitschüler in der Kampfkunstschule verwunderte. Als Julie sich umzog, hörte sie Kim und Bille in der Umkleide über sich reden. Kim sprach schnell, wie immer. „Weißt du, was mit Julie ist? Sie ist so ernst, kein fröhliches Lächeln mehr, nichts. Meinst du, sie ist sauer auf mich?“ Bille brauchte kurz für die Antwort.  „Die ist total durchgedreht wegen der Sache mit ihrem Vater. Das hat doch nichts mit dir zu tun. Lass’ sie einfach in Ruhe, die kriegt sich schon wieder ein.“ Dann war nichts mehr zu hören.
    „Ist mir auch egal“, dachte Julie, “wenn die mich durchgedreht finden, sollen sie doch.“
    Tief in ihrem Inneren war es Julie nicht ganz so egal, was die anderen von ihr dachten, aber eine Wahl hatte sie nicht. Sie musste weitermachen.
    Der Gong ertönte. Julie begann wie immer mit der Siu Nim Tau-Form; die langsamen und bewussten Bewegungen gaben ihr ein kleines Stückchen inneren Frieden zurück, auch deshalb machte Julie diesen Teil besonders sorgfältig. Als nächstes war der Wandsack an der Reihe; aus ungebleichtem Leinen gefertigt, war der Sack in drei Kammern unterteilt. In jeder Kammer war eine andere Füllung, so dass alle drei unterschiedlich hart waren. Der Wandsack war so aufgehängt, dass daran sowohl Tritte als auch Schläge geübt werden konnten. Ruhig und konzentriert, aber auch verbissen, bearbeitete Julie die Trainingshilfe, bis ihre Knöchel trotz der Handschützer ganz wund waren. Julie zog die Schützer danach gar nicht erst aus, sie ging gleich zu den Jungs herüber. Inzwischen war sie so gut, dass Leung Jan ihr erlaubt hatte, mit den männlichen Gefährten zu üben. Zuerst hatten einige Jungs sich über Julie lustig gemacht, aber die gezielten Schläge hatten ihre Gegner bald wieder in die Wirklichkeit zurückgeholt. Der Nachteil dieser neuen  Anerkennung war, dass die Jungs Julie jetzt auch nicht mehr schonten. Julie kämpfte

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