DS007 - Die Glocke des Grauens
…«
»Aber das haben Sie uns doch schon alles erzählt«, sagte der Polizist verdutzt.
»Halten Sie den Mund!« donnerte Renny. »Wir hatten eben den Sarg aus dem Zug geholt, als eine Bande mit schwarzen Kutten und grünen Glocken darauf über uns hergefallen ist. Sie haben auf uns geschossen, und wir sind Hals über Kopf in Deckung gegangen.«
Renny hob die Stimme, damit Doc auch bestimmt jedes Wort verstand: »Die Green Bells haben die Leiche nur untersucht. Ich glaube nicht, daß sie etwas gestohlen haben.«
Doc wußte Bescheid. Seine Hand fuhr in die Tasche und brachte ein Bündel kleiner Gegenstände, die Ähnlichkeit mit zusammengebundenen Streichhölzern harten, zum Vorschein. Er riß ein Streichholz an, hielt es an eine Schnur, mit der die kleinen Gegenstände verbunden waren, und ließ beides fallen. Die Menge interessierte sich nach wie vor nur für Renny und seine Geschichte und nahm von Doc keine Notiz.
Vorsichtig schob Doc sich näher zu dem Leichenwagen. Eine Sekunde später knatterte an dem Platz, an dem er eben noch gestanden hatte, ein Miniaturfeuerwerk. Doc hatte stets einige Knallfrösche bei sich, sie hatten sich schon häufig als nützlich erwiesen.
Die Menge stob entsetzt auseinander und starrte zu dem Feuerwerk. Niemand beachtete Doc, als er in den Leichenwagen stieg.
Mit der Taschenlampe ging Doc daran, Jim Cashs Leiche zu untersuchen. Er brauchte nicht lange dazu. Auf Jims rechtem Oberarm, direkt über dem Ellenbogen, standen einige Worte.
Die Schrift schimmerte metallisch, als wäre sie mit dem Bleikopf einer Patrone erzeugt, aber Doc wußte, daß sie von einer Chemikalie stammte, die solange unsichtbar war, bis man sie mit einer zweiten Chemikalie in Verbindung brachte. Die Worte lauteten:
IN MEINEM SCHRANK IN DER FABRIK.
Das also hatte die Truppe des Green Bell gesucht! Doc glitt wieder aus dem Leichenwagen, und diesmal entdeckte ihn einer der Polizisten. Der Polizist riß erschrocken die Augen auf, dann zog er seinen Revolver und versuchte, Doc eine Kugel in den Kopf zu jagen.
Der Schuß ging hoch über Doc hinweg, denn Doc harte sich zu Boden fallen lassen und kroch auf allen vieren durch das Dickicht aus Füßen und Beinen.
Doc schob sich aus dem Tumult und jagte zum Bahnhof. Abermals entdeckte ihn ein Polizist, aber bevor er schoß, war Doc schon in dem Gebäude verschwunden.
Die Halle war gähnend leer. Die Reisenden, Gepäckträger und Bediensteten der Bahn waren draußen in der Menge. Doc durchquerte die kleine Halle und hastete zu einem Perron. Dort stand ein Zug, der mutmaßlich in einigen Stunden oder auch nur Minuten abgehen sollte, Doc interessierte sich nicht für solche Details, jedenfalls nicht im Augenblick.
Er lief durch die Waggons zum Ende des Zugs und sprang wieder ab. Mittlerweile war es kurz vor Tagesanbruch, aber die Dämmerung reichte noch aus, Docs Flucht zu ermöglichen. Doc kroch unter zwei Güterzügen hindurch und gelangte zu einer niedrigen Betonmauer.
Er stieg über die Mauer und fand sich, wie um die gespenstischen Ereignisse auf die Spitze zu treiben, auf einem Friedhof wieder. Er ging an Grabsteinen und Statuen vorbei, gelangte zu einer weiteren Mauer und über sie hinweg in eine stille Seitenstraße. Bevor Collison McAlters Little-Grand-Baumwollspinnerei gezwungen gewesen war, die Produktion einzustellen, hatte Jim Cash zu den Angestellten der Firma gehört. Die befremdlichen Worte auf seinem rechten Oberarm wiesen also zweifellos auf seinen Spind in der Fabrik hin.
Die Fabrikgebäude waren grau, hatten rote Dächer und lagen inmitten eines Gewirrs von Schienensträngen. Der Rasen vor dem Hauptgebäude war so kurz geschoren, daß er wie Samt wirkte. Rings um das Anwesen zog sich ein von Stacheldraht gekrönter Maschenzaun. Neben einem breiten Tor war ein kleines Fachwerkhaus mit einem vergitterten Fenster für den Wächter.
Aus dem Fenster spähte ein bleiches, verängstigtes Gesicht.
»Wer sind Sie?« fragte der Wächter. »Was wollen Sie?«
»Lassen Sie mich herein«, befahl Doc. »Collison McAlter wird bestimmt nichts dagegen haben.«
Der Wächter war unentschlossen.
»Mr. McAlter ist im Augenblick nicht da«, murmelte er schließlich. »Ich gehe mit Ihnen und frage ihn, ob er was dagegen hat, wenn ich Sie hereinlasse.«
Der Wächter trat aus dem Häuschen und schloß die Tür hinter sich. Er trug einen schmuddeligen weißen Leinenanzug und hatte eine Hand in der Jackentasche. Die Tasche war so ausgebeult, als befände
Weitere Kostenlose Bücher