DS026 - Der Inka in Grau
vor
Señor
General Fernandez Vigo stehen«, erklärte ihm der Korporal, »rate ich Ihnen dringend, sich eine bessere Geschichte einfallen zu lassen.«
»General Vigo, dem Diktator von Delezon?« fragte Long Tom verblüfft.«
»Nix Diktator, nur General«, berichtigte ihn der Korporal. »
Si
, er nimmt sich Spione immer persönlich vor.« General Fernandez Vigo, so erwies sich, hielt sich in einem Erdbunker weit dichter hinter der Frontlinie auf, als man dies von Generalen im allgemeinen gewohnt ist. Er war nur etwas über mittelgroß, dafür aber der häßlichste Mann, den Long Tom je im Leben gesehen hatte. General Vigo trug keinerlei Rangabzeichen; deren bedurfte es auch nicht Wer einmal in sein Gesicht gesehen hatte, vergaß das wohl niemals mehr. Er lachte ebenso hohl und höhnisch auf wie vorher der Korporal, als Long Tom stammelnd erneut seine Geschichte vorbrachte, er wüßte nicht, wie die Gegenstände in seine Taschen gekommen wären.
»Verschwenden Sie mit solchen Märchen nicht meine Zeit«, fuhr ihn der Diktatorgeneral an. »Geben Sie schon zu, daß Sie ein Spion sind.« Er sagte es in überraschend gutem, fließendem Englisch.
Stirnrunzelnd starrte Long Tom in das abgrundhäßliche Gesicht. »Und was wird mit Spionen bei Ihnen gemacht?«
»Sie werden erschossen!« herrschte General Vigo ihn an.
»Bekommen sie vorher ein Kriegsgerichtsverfahren, in dem sie sich gegen die erhobenen Anschuldigungen verteidigen können?« fragte Long Tom sofort.
»Das hängt allein von mir ab«, lachte General Vigo. »Zum Beispiel davon, mit welchem Bein ich morgens aus dem Bett gestiegen bin. Sie haben Pech. Sie werden gleich erschossen!«
»Könnten Sie nicht wenigstens, bevor Sie mich hinrichten lassen, ein Telegramm an Doc Savage schicken und die Antwort abwarten? Ich würde es Ihnen dringend raten, bevor Sie den Hals zu weit vorstrecken und sich Unannehmlichkeiten »Den Hals vorstrecken – was heißt das?«
»Das ist eine amerikanische Redensart. Wer den Hals zu weit vorstreckt, riskiert, daß eine Schlinge ...«
»Was? Sie werden auch noch unverschämt und wollen mir drohen? Ab mit ihm, schafft ihn mir aus den Augen. Ich werde persönlich seiner Erschießung beiwohnen.«
Long Tom wurde von kräftigen Fäusten gepackt, aus dem Erdbunker geschoben und draußen auf die Ladefläche eines kleinen Armeelastwagens gehoben. Diese Art von Transport lohnte sich eigentlich kaum, denn er führte nur bis ins nächste, etwa eine halbe Meile entfernte Dorf. Unterwegs wurden sie von dem Jeep General Vigos überholt.
Der Armeelaster hielt vor einer Einpfählung. Die beiden Posten, die auf der Ladefläche mitgefahren waren, halfen dem inzwischen erneut an den Händen gefesselten Long Tom auf den Boden. Als er durch das Tor der Einpfählung geführt wurde, trat ihm dort General Vigo entgegen.
»Tut mir leid,
Señor
, daß ich ausgerechnet einen der Helfer des berühmten Doc Savage erschießen lassen muß – das heißt, wenn Sie nicht auch darin gelogen haben«, erklärte Vigo, und seine Worte klangen seltsamerweise tatsächlich bedauernd. »Aber mein Land befindet sich nun einmal im Krieg.« Er gab dem Exekutionsoffizier einen Wink, und Long Tom wurde zu einem einzeln stehenden Pfahl geführt und festgebunden. Die Pfahlwand dahinter, das sah Long Tom, wies bereits eine Vielzahl von Einschüssen auf.
»Wollen Sie eine Augenbinde?« fragte ihn der Exekutionsoffizier.
»Ja«, sagte Long Tom, und als er den überraschten Blick General Vigos bemerkte, fügte er erklärend hinzu: »Ich möchte nämlich nicht, daß Sie alle von dem Blick, mit dem ich Sie zuletzt angesehen habe, später ein Leben lang Alpträume bekommen.«
Die Hinrichtung eines Spions, zumal in Kriegszeiten, wird in einem südamerikanischen Land meistens so durchgeführt, daß sie nebenbei ein abschreckendes Beispiel gibt. So hatte man sich auch hier, offensichtlich in voller Absicht, keine sonderliche Mühe gegeben, sensationslüsterne Neugierige fernzuhalten. Das heißt, in die Einfriedung selbst durften sie natürlich nicht hinein, aber draußen vor dem Tor hatte sich eine ziemlich große Schar versammelt. Alle Kommandos waren auch dort draußen klar zu verstehen, und so machten diese Neugierigen, zumeist
peones
in abgerissener ärmlicher Kleidung, sehr betroffene Gesichter; der Tod eines Menschen, und sei er auch ein Spion, ist niemals eine angenehme Sache.
Nur einer der Neugierigen fiel aus dem Rahmen, ein schmächtiger, knapp mittelgroßer Kerl mit
Weitere Kostenlose Bücher