DS065 - Angriff aus dem Dunkel
verriet, daß Nannys Boot gegen Holz prallte, vermutlich gegen einen Steg. Dann klangen Schritte auf, eine Eisentür klickte ins Schloß, und es wurde still.
Vorsichtig paddelte Doc weiter. Er fand den Steg, band das Kanu an, klomm eine Stiege hinauf und blickte sich um. Nicht weit von ihm ragte ein schwarzer Schemen aus dem Wasser, der hier eigentlich nichts verloren hatte – der Schemen war der Kommandoturm eines ungewöhnlich kleinen U-Boots. Eine Laufplanke führte vom Ufer zum Turm.
Doc balancierte über die Planke, tastete nach dem Luk und klappte es lautlos auf. Unten schimmerte Licht, gedämpfte Stimmen drangen herauf. Doc hielt den Atem an und lauschte.
»Er wird morgen zu dem Marinestützpunkt kommen«, sagte Nanny soeben. »Sie können alles mit ihm selbst vereinbaren.«
»Einverstanden«, sagte ein Mann mit fremdländischem Akzent. »Um wie viel Uhr?«
»Gegen elf«, sagte Nanny.
»Jason Lynn will also mit uns das Geschäft machen«, sagte der Mann.
Nanny sagte nichts; Doc vermutete, daß sie nickte, denn der Mann lachte leise und offenkundig zufrieden.
»Soviel ich weiß, wollen Sie noch heute nacht zu dem Stützpunkt bei Boston«, sagte Nanny nach einer Weile. »Richtig«, erwiderte der Mann.
»Was ist mit dem Mädchen, dieser Annabel Lynn?«
»Machen Sie sich darum keine Sorgen.«
Wieder lachte der Mann, und Doc hatte den Eindruck, daß die Unterhaltung beendet war. Im Turm waren Schritte zu hören. Doc versuchte, das Luk ebenso lautlos zu schließen, wie er es geöffnet hatte. Im selben Moment sprang jemand mit der Gewalt eines kippenden Großmasts auf seinen Rücken. Doc wurde zur Seite geschleudert, und der Deckel krachte mit Getöse zu.
Blitzschnell drehte Doc sich um zu dem Mann, der sich leise angeschlichen hatte, und entdeckte nicht nur den einen Mann, sondern drei. Einer von ihnen packte Doc am Arm und schrie seinen Kumpanen etwas zu, das Doc wieder einmal nicht verstand, und die Kumpane drangen auf Doc ein. Doc boxte dem ersten vor die Brust, daß dieser über die Planke an Land gewirbelt wurde, und fegte die beiden anderen mit Handkantenschlägen über Bord. Gleichzeitig flog das Luk abermals auf. Im schwachen Licht war ein Mann mit einem erhobenen Schraubenschlüssel zu erkennen. Doc parierte den Hieb und ließ sich ebenfalls ins Wasser fallen, während die beiden Gegner, die er in den Thames River befördert hatte, an’s Ufer krochen. Doc schwamm unter den Steg.
»Der ist erledigt«, meinte der Mensch mit dem Schraubenschlüssel. »Bestimmt ist er ersoffen.«
»Hast du gesehen, wer es war?« erkundigte sich ein anderer.
»Anscheinend ein neugieriger Farmer«, erklärte der Mensch mit dem Schraubenschlüssel.
»Ob er gehört hat, was wir geredet haben?«
»Ist das jetzt noch wichtig?«
»Nicht, wenn er wirklich ersoffen ist.«
»Das ist er, darauf kannst du dich verlassen.«
Die Männer kletterten im Turm nach unten, und Doc schwamm flußaufwärts. Das Kanu ließ er am Steg. Während er zu Fuß zu der Bucht und zu seinem Flugzeug zurückkehrte, überlegte er in einem Anflug von Heiterkeit, daß die Vorsicht des Bootsverleihers sich doch als richtig erwiesen hatte. Der verwahrloste Tramp hatte das Boot in der Tat nicht wiedergebracht. Vermutlich würde der Verleiher bis zum Ende seiner Tage mit seiner untrüglichen Menschenkenntnis prahlen.
»Noch einmal nahm Doc über Funk Kontakt mit Miller Field auf. Er bat den freundlichen Kommandanten, Erkundigungen über Jason Lynn einzuholen, doch das war überflüssig. Der Kommandant kannte Jason Lynn.
»Wissen Sie, wo er sich aufhält?« fragte Doc.
»Das ist ein militärisches Geheimnis«, erklärte der Kommandant.
»Machen Sie mal eine Ausnahme«, sagte Doc. »Andernfalls gehen nämlich noch mehr Regierungsbauten in Stücke.«
»Na schön«, sagte der Kommandant mit hörbarem Unbehagen. »Lynn ist zur Zeit in Boston, im Hotel Pilgrim Prince. Wollen Sie ihn besuchen?«
»Ich muß wohl«, antwortete Doc grimmig. »Hier ist ein teuflisches Spiel im Gang, und wenn ich mich nicht irre, sind etliche Leute in Washington und vom Geheimdienst darin verwickelt.«
»Um Gottes willen!« sagte der Kommandant entsetzt. »Sind Sie Ihrer Sache ganz sicher?«
»Nein«, bekannte Doc. »Sonst hätte ich schon zugeschlagen, daß mindestens einem Teil der Administration dieses Staats die Augen übergehen.«
Er wartete bis nach Mitternacht, doch seine Gefährten kamen nicht. Schließlich hinterließ er in seinem Amphibienflugzeug eine
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