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Dschiheads

Dschiheads

Titel: Dschiheads Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Jeschke
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beobachtet, wie sie im Totenhaus miteinander herummachten. Timothy kniete vor Seiner Heiligkeit wie ein bußfertiger Sünder bei der Beichte, und der Großarchon breitete schnaufend und mit zitternden Händen die angehobene Soutane über den Kopf des Jungen. Es war aber nicht die Geste der Unterwerfung, die Seine Heiligkeit mit dem Küssen seiner Knie einforderte – Timothy war drei oder vier Handbreit weiter oben zugange. Der Großarchon wippte auf den Ballen, er tänzelte, nein tanzte wie die Heiligen auf dem Altargemälde im Tempel. Dabei war ein stöhnendes Wimmern zu hören, ein kläglicher, flehentlicher, verzweifelter Laut, ein Winseln um Gnade.
    Â»Wer wollte ihn dafür bestrafen?«, fragte ich, und unter meiner Zunge schmeckte es plötzlich bitter. Hatte Gabriel mich verletzt, als er mir die Luft abgepresst hatte?
    Anzo machte ein weit ausholendes Zeichen mit der Hand.
    Â»Du meinst Gott?«, fragte ich, um sicherzugehen, die Geste richtig gedeutet zu haben.
    Anzo nickte.
    Aber ich hatte da so meine Zweifel.

| 09 |
    Maurya war wieder vor Tagesanbruch hinaus auf die Terrasse gegangen. Das Frühlicht begann sich in den Himmel zu ergießen. Das Flusstal war mit Nebel gefüllt, der in einer niedrigen Bank über dem Wasser schwebte.
    Sie blickte in die Strömung in der Nähe des Ufers. Ein Geräusch wie von einem großen Tier war zu hören, das sich auf dem Grund des Flusses bewegte. Wasser spritzte an der Oberfläche auf, und ein Wirbel bildete sich, der rasch davongetragen wurde. Zehn Sekunden später ein neuerliches Stöhnen in der Tiefe und ein neuer Wirbel, der rasch davonzog.
    Maurya wich unwillkürlich einen Schritt zurück. War es eines dieser großen Tiere, dieser Riesenwürmer, die im Flussbett hausten? Sie sah sich um. Die Walker, wie sie genannt wurden, harmlose, gesellige Lebewesen, die sich für den Abend zu Gruppen zusammengerottet hatten, um Samen auszutauschen, strebten nun ihren angestammten Weideplätzen zu. Sie sahen aus wie halbkugelförmige umgedrehte Körbe aus Zweigen und fleischigen, Agaven ähnlichen Blättern, die gemächlich ihre Pfahlwurzeln an der Peripherie in den Boden senkten und wieder herauszogen, um sich mit schildkrötenhafter Langsamkeit über die Uferböschung zu verteilen.
    Am Abend zuvor hatte sie beobachtet, wie drei Männer aus dem Dorf jenseits des Flusses den Walkern zu Leibe rückten. Mit Messern und Macheten hackten sie ihnen die Pfahlwurzeln ab, wälzten sie auf den Rücken und warteten, bis ihre Bewegungen erstarben. Dann schleppten sie sie zum Wasser und schoben sie hinein, um sie als Boote zu benutzen. Sie wusste nicht, was sie davon halten sollte. Sie fand die Art, diese interessanten Lebewesen zu zerstören, bedauerlich, aber die Siedler hatten gelernt, mit dem zurechtzukommen, was sie vorfanden, und man konnte ihnen schwerlich einen Vorwurf machen.
    Sie wollte sich schon abwenden, um wieder hineinzugehen, als sich plötzlich ringsum das Licht veränderte. Es war wie ein helles Aufblitzen. Gleichzeitig war ein Geräusch zu hören, als bräche sich eine kniehohe Welle – nur eine einzige – an einem Kiesstrand. Sie blickte über die Uferböschung und stellte überrascht fest, dass alle Walker sich von einem Augenblick zum anderen verwandelt hatten. Sie waren nun über und über mit handgroßen weißen Blüten bedeckt. Gleichzeitig war die Luft von einem intensiven Duft erfüllt, süß und betörend wie Jasmin bei Einbruch der Dunkelheit. Maurya schloss unwillkürlich die Augen, um seine ganze Fülle aufzunehmen.
    Als sie die Augen wieder öffnete, entdeckte sie Jona than, der unten am Flussufer herumstöberte. Er schnupperte an einer Begleiterin des Flusses, umrundete sie einmal, zweimal, bis er die richtige Position gefunden hatte, und hob das Bein.
    Â»Meine Verehrung, schönes Kind«, sagte er und ließ den Strahl gegen ihren schlanken weißen Stamm plätschern.
    Vor Überraschung richtete sich das Geschöpf auf und zog mit einer gemessenen Bewegung die Trinkrüssel aus dem Wasser, was für ihr Zeitempfinden wohl einer blitzartigen Reaktion gleichkam.
    Jonathan nahm keine Notiz davon. Er trottete auf die Terrasse zurück, gesellte sich zu Maurya und schüttelte sich die Nässe aus dem Fell.
    Â»Warst du beim Baden?« Sie zog ein Tuch aus der Tasche und rieb die münzenförmigen

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