Dschungel-Gold
sich über die Augen, als müsse er sie putzen. »Er könnte es sein. Mit ihm ist das erste Kokain in die Stadt gekommen.«
»Und Sie haben ihn wie einen Gast behandelt!«
»Wer denkt denn an so was?!«
»Pater, wir müssen diesen Mann finden!«
»Unter dreißigtausend in den Slums?«
»Wenn er so anders ist als die anderen, fällt er irgendwann auf.«
»Er wird sich anpassen. Er ist – wie ich schon sagte – intelligent genug. Er heißt übrigens David Tortosa. Ob das sein richtiger Name ist …«
»Ich bezweifle das.« Dr. Falke beugte sich über den Toten. Ein seltsames Lächeln war auf dem Gesicht erstarrt. Es mußte ein seliges Sterben gewesen sein. Ein Tod im Hochgefühl. Kokain macht glücklich, zunächst, dann folgt die Phase der Depression und des großen Weltschmerzes. Kokain zaubert den Himmel herbei, der dann zusammenbricht und alles unter sich begräbt. Es zerstört mehr die Seele als den Körper … ein Mensch zerfällt in sich selbst. Hier, bei diesem Toten, schien der Tod durch eine Überdosis eingetreten zu sein. Er war kein alter Schnupfer, er war erst vor kurzem ahnungslos in den Teufelskreis von Glück und Elend hineingeraten.
»Weiß Belisa schon von dem Vorfall?« fragte Pater Burgos.
»Nein, aber ich werde es ihr nachher berichten. Und ich weiß jetzt schon, wie sie reagieren wird: Sie wird eine Belohnung aussetzen für den, der den Dealer verrät. Einen Beutel Gold … dafür würden hier Tausende sogar ihre Mutter umbringen. So gesehen, hat der Dealer keine Chance. Damit rechnet auch Avila. Dann aber wird es grausam werden. Sie wissen, was man mit dem Dealer anstellen wird …«
»Das wäre Mord!«
»Avila nennt es konsequente Strafe. Sie können das nicht verhindern.«
»Ich werde ihn unter den Schutz der Kirche stellen.«
»Sie werden die Kirche stürmen und ihn herausholen.«
»Das haben sie selbst beim Glöckner von Notre-Dame nicht gewagt.«
»Hier ist nicht Paris, sondern Diwata. Hier ist Gott ein sonntäglicher Singsang, weiter nichts.«
»Sie wissen nicht, wie viele zu mir beichten kommen …«
»Heimlich. Das ist es. Heimlich! In der Öffentlichkeit wird sich keiner rühren, wenn Avila Ihre Kirche stürmt, um einen Dealer herauszuholen. Im Gegenteil, man wird ihn beklatschen.« Dr. Falke deckte das Handtuch wieder über das Gesicht des Toten. »Lassen Sie ihn begraben. Ihn zu untersuchen, bringt nichts.«
Zwei Stunden später saß Dr. Falke vor Belisa García.
Sie hatte sich wieder hinter dem groben Holztisch in der dreckigen, stinkenden Rattenhütte niedergelassen, vor sich die Goldwaage, auf der sie die Goldbeutel wog, die ihr von der Quecksilberscheideanstalt gebracht wurden. Wie immer umstanden zehn schwer bewaffnete Männer des Sicherheitsdienstes die elende Bretterbude, in der sich Gold im Wert von vielen tausend Dollar häufte. Es wurde am Abend aus Diwata hinausgeflogen zu den Tresoren der Außenstelle Davao.
Belisa blickte von ihrer Waage hoch, als Dr. Falke eintrat. Sie trug wieder ihre verwaschenen, ausgefransten Jeans und einen weiten, roten Baumwollpullover, dreckig und fleckig. Das schwarze Haar bedeckte eine bunte Strickmütze, die wie ein Kaffeekannenwärmer aussah. Jetzt konnte niemand mehr sagen, sie sei eine schöne Frau. Das einzig Glänzende waren ihre Augen und die Zahnreihe, wenn sie beim Sprechen die Lippen hochzog.
»Ich weiß, was los ist«, sagte sie, als Dr. Falke auf dem wackeligen Stuhl vor ihr Platz genommen hatte. »Avila hat alles erzählt. Ich setze eine Belohnung von fünfzig Gramm reinen Goldes aus.«
»Fünfzig Gramm? Das ist doch Wahnsinn! Jetzt wird eine Menschenjagd losgehen.«
»Das will ich ja! Ich will dieses Schwein fassen! Kokain in Diwata! Ich lasse meine Arbeiter nicht vergiften.«
»Es kann ein Einzelfall sein.«
»Das werden meine fünfzig Gramm Gold feststellen.« Sie legte den abgewogenen Goldsack zur Seite in eine Plastikschüssel, als sei er ein Stück Abfall. »Hat Miguel mit Ihnen gesprochen?«
»Wegen des Baus von neuen Bordellen? Ja.«
»Bordelle?« Belisas Stimme hob sich. »Er erzählte mir vom Bau eines Schwimmbades und eines Sportzentrums.«
»Mit Sportzentrum meinte er sicherlich die Bordelle …« Dr. Falke hob die Hand, um Belisa das Wort abzuschneiden. »Nein, nein, das ist nicht wieder ein Mißtrauen oder ein Verschweigen. Das ist Achtung vor Ihrer Würde. Ehrfurcht. Auch ein bißchen Angst.«
»Ich fresse niemanden!«
»Verzeihen Sie Miguel. Er hat mich gebeten, mit Ihnen darüber zu
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