Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dschungelkind /

Dschungelkind /

Titel: Dschungelkind / Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kuegler
Vom Netzwerk:
Seine Augen strahlten, ein stolzes Grinsen lag auf seinem Gesicht. Ich schaute ihn skeptisch an – was sollte er schon gefunden haben, das ich noch nicht kannte? Unser Radius im Dschungel war ziemlich begrenzt. Er reichte vom Klihi-Fluss bis zum Rand des Urwalds und endete im Dorf der Fayu.
    Ich folgte Christian nach draußen und stellte verwundert fest, dass er direkt auf den Urwald zuhielt. Am Rand des Dschungels angekommen, blickte er noch einmal zurück zu unserem Haus, um sich zu vergewissern, dass uns auch niemand beobachtete. Obwohl Mama und Papa uns niemals ausdrücklich verboten hatten, allein in den Urwald hineinzulaufen, war es für uns ein ungeschriebenes Gesetz.
    Einige Jahre hatten wir uns wie selbstverständlich daran gehalten, hatten instinktive Scheu davor verspürt, eine Natur zu erkunden, die offenkundig zu stark für uns war – doch an diesem Tag ignorierten wir das Verbot. Mit einem Prickeln unter der Haut folgte ich Christian in die unergründlichen Tiefen des Dschungels.
    Ich liebte diesen dichten, geheimnisvollen, tausendjährigen Wald, der sich vor meinen Blicken ausdehnte, und gerade der Moment des Übergangs, in dem man die Grenze zwischen der Lichtung und dem Dickicht überschritt, dieser Augenblick hatte etwas Faszinierendes. Ich betrat eine andere Welt. Noch vor einer Sekunde war die heiße Sonne auf mich herabgeprallt mit einer Temperatur von über 40 Grad und einer Luftfeuchtigkeit von mehr als 90 Prozent. Das machte das Leben an manchen Tagen unerträglich. Dann aber der erste Schritt hinein in die Dunkelheit, der zweite, es wurde schon kühler um mich herum, die Sonnenstrahlen schienen wie aufgesogen von den gewaltigen Bäumen. Eine weiche, kühle Luft sank auf mich herab, eine unheimliche Stille verbreitete sich, alle Geräusche klangen gedämpft, und man hörte nur ein paar Insekten, die auf einem Baumstamm vor sich hin zirpten.
    Die Luft roch vollkommen anders als draußen auf der Lichtung, süßer, angefüllt mit Düften, die aus den exotischen Pflanzen und Blumen flossen. Dazwischen waberten der scharfe Geruch verfaulter Pflanzen und der eigenartige Duft des nassen Sumpfes. Es war für mich kein unangenehmer Geruch. Wenn er sich mit der süßen, blumigen Luft vermischte, ergab es einen harmonischen Zusammenklang wie bei einem gut eingespielten Orchester, das zum großen Finale aufspielt.
    Ich schaute mich um: rings um uns herum nur Grün; wir waren gleichsam eingemauert in ein grünes Zimmer. Zu meinen Füßen wucherten niedrige Farne, die bei der kühlen Luft wunderbar gedeihen konnten, dann die jungen Bäume, die mit aller Macht versuchten, nach oben ans Licht zu drängeln. Doch von den riesigen Urwaldbäumen wurden sie ignoriert, Bäumen, die so groß waren, dass ich ihre Spitze nicht mehr sehen konnte. Ihre Wurzeln wölbten sich hoch aus dem Boden hervor, wie lange, hellbraune Würmer sahen sie aus, die sich in und über der Erde schlängelten. Es war ein unvergesslicher Anblick.
    Christian rief nach mir und riss mich aus meinem Staunen. Er zeigte mir einen kleinen Weg, einen Wildschweinpfad, wie ich vermutete. Wir folgten dem kurvigen Trampelpfad, und plötzlich hatte ich das Gefühl, als beobachte uns der Urwald, als versuchten die Pflanzen, uns zu ergreifen. Mir wurde ein wenig mulmig, denn mir war sehr wohl bewusst, wie schnell man sich im Urwald verirren kann.
    Ich hielt mich dicht hinter Christian, der den Eindruck erweckte, als kenne er sich blendend aus. Nach einigen Minuten sah ich ein helles Licht in der Ferne. Ein paar Sonnenstrahlen hatten ihren Weg bis zum dunklen Waldboden gefunden. Und plötzlich wurde der Urwald von einer Lichtung unterbrochen. Ich stand da, mit offenem Mund, und schaute.
    Wir lebten in Foida am Rande eines Sumpfgebietes und am Fuß einer Bergkette. Vereinzelt gab es also auch bei uns schon Hügel und unebene Flächen, und genau so etwas lag vor uns. Nicht sehr steil, nur eine Stelle, an der die Erde sich ein wenig erhob zu einem winzigen Plateau.
    Doch nicht das begeisterte mich so, sondern es gab noch etwas, das ich zuvor nur in Danau Bira gesehen hatte: Von den himmelragenden Urwaldbäumen hingen Hunderte von Lianen, dicke, braune, lange Lianen, die so hoch oben wuchsen, dass wir ihren Ursprung nicht mehr sehen konnten. Christian und ich schauten uns an, ein breites Lächeln huschte über unsere verdreckten Gesichter. Wir waren schon immer fest davon überzeugt gewesen, dass Tarzan unser Seelenverwandter war … und endlich … die

Weitere Kostenlose Bücher