Du bist das Boese
Zwerg sein. Er sah gerade noch, wie Colajacono, mit Handschellen gefesselt und in panischer Angst, sich hinter den dicken Baumstamm flüchtete.
Mircea erteilte auf Rumänisch Befehle und rief nach Greg, Adrian und Giorgi. »Es ist nur einer«, meinte Balistreri zu verstehen. Am liebsten hätte er Coppola zugerufen, dass er da war, aber er hätte doppelten Schaden angerichtet, wenn er ihnen seine Anwesenheit und dann auch noch seinen Standort verraten hätte.
Aus dem Innern der Hütte brach ein Kugelhagel los. Deckungsfeuer, das erkannte er sofort. Dann sah er die Silhouette von Adrian hinter der Hütte hervortreten und wie verrückt ballern.
Balistreri setzte auf den Überraschungseffekt und sprang aus seinem Hinterhalt hervor. Seine Hand bewegte sich allerdings in Zeitlupe, als sträube sie sich dagegen, nach so vielen Jahren wieder den Abzug zu drücken.
Coppola trat mit zwei seitlichen Schritten hinter einem Baum hervor und schoss, die Beretta mit beiden Händen umklammernd, wie man es ihm in der Polizeischule beigebracht hatte. Adrian stürzte mit ausgebreiteten Armen zu Boden, und Coppola ging schnell wieder in Deckung.
Giorgi kam angerannt und nahm den Zwerg von der anderen Seite der Hütte unter Beschuss. Mircea deckte ihn von drinnen mit Feuersalven.
Balistreri fühlte, wie sich seine Hand am Abzug verkrampfte. Coppola brüllte ihm zu, er solle sich in Sicherheit bringen. Wie betäubt stand er da und sah den Zwerg aus der Deckung treten. Coppola gab einen einzigen Schuss ab, der Giorgi am Kopf traf.
»Dottore, hinter den Baum!«, schrie Coppola. Balistreri schreckte auf und rannte los. Er hatte es fast geschafft, als Mirceas Kugel ihn an der linken Hüfte traf und er eine halbe Drehung um sich selbst machte. Als er davonzuhumpeln versuchte, sah er Greg im Schutz von Mirceas Kugeln auf ihn zukommen.
Wer hätte gedacht, dass ich einmal so sterben würde, in Angst und Schrecken?
Coppola rollte sich auf die Eiche zu und ballerte wie ein Besessener los. Greg fiel rücklings in den Matsch, im Herzen getroffen.
Wenn du das deinem Sohn erzählst, wird er dir nicht glauben. Die hohen Absätze brauchst du nicht mehr.
Der Zwerg richtete sich schnell auf, um wieder in Deckung zu gehen. Das Projektil erwischte ihn genau zwischen den Schulterblättern. Er stürzte vornüber zu Boden und versuchte, auf die Eiche zuzukriechen.
Balistreri wandte sich entgeistert in die Richtung, aus der die Kugel gekommen war. Er zögerte. Eine weitere Kugel von Mircea traf ihn unter dem rechten Knie. Der Baum war nur zwei Meter entfernt, aber mit dem zerfetzten Bein und der verwundeten Hüfte würde er das nie schaffen. In diesem Moment kreuzte sein Blick den von Colajacono, der ihn mit aufgerissenen Augen anstarrte.
»Hilf ihm!«, befahl er und zeigte auf Coppola, der immer noch am Boden lag. In Handschellen zerrte Colajacono den Zwerg, der kaum mehr wog als ein Kind, hinter den Baum. Dann kam er zurück und schleifte mit größerer Mühe auch Balistreri hinter den Baum. Die Schüsse hatten seltsamerweise aufgehört.
Der Zwerg starrte ihn mit offenen Augen an, aus seinem Mund trat ein blutiges Rinnsal. »Du bist ein ganz Großer, Coppola. Ciro wird stolz auf dich sein«, sagte Balistreri. Der Zwerg nickte kaum merklich, dann schloss er die Lider.
Balistreri verlor viel Blut. Ihm war klar, dass er jeden Moment ohnmächtig werden konnte. Er versuchte, nicht das Bewusstsein zu verlieren und seinen wilden Hass zu bändigen.
Jetzt bringe ich diese widerlichen Bestien um. Diese Dreckskerle müssen raus aus Italien, Colajacono hat völlig recht.
Auf einmal hatte er keine Angst mehr. Er war ganz klar im Kopf, und er wusste, dass er nur eine Chance hatte.
»Zieh mich hoch und halt mich fest, ohne meine Arme zu blockieren«, sagte er zu Colajacono, der stumpfsinnig nickte.
Balistreri verlagerte das gesamte Körpergewicht auf den linken Fuß. Mit seinen starken Oberarmmuskeln gelang es Colajacono, ihn trotz der Handschellen aufrecht zu halten.
Balistreri konzentrierte sich, denn er hatte nur einen Schuss, das wusste er. Da sich Mircea versteckt hielt und er selbst in einem desolaten Zustand war, blieb ihm nur diese eine Chance. Das flackernde Licht in der Hütte warf Mirceas Schatten an die Wand. Offenbar stand er in der Ecke neben dem Fenster. Balistreri wog den Stein in seiner Hand und schätzte die Entfernung ab: sieben, acht Meter.
Es musste ein kräftiger Wurf sein. In der Rechten hatte er Kraft, aber seine Linke war genauer.
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