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Du bist das Boese

Du bist das Boese

Titel: Du bist das Boese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Costantini
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aufrichtig zu sein. »Und ich freue mich zu sehen, was ich sehe.«
    »Während ihr beide ein bisschen plaudert, gehe ich in mein Archiv und stelle eine paar Nachforschungen an«, schlug der Conte vor.
    Sie setzten sich an den kleinen Tisch. Balistreri warf einen Blick auf den Bildschirm: »Paris – 10. Kongress für Infektionskrankheiten – Vortrag von Prof. Manfredi dei Banchi di Aglieno von der Universität Nairobi«.
    »Ich stelle dort unsere jüngsten Forschungsergebnisse vor«, erklärte Manfredi. »Der Kongress ist am Montag in Paris. Am Montag drauf nehme ich noch an einem weiteren Kongress in Frankfurt teil, und danach fliege ich nach Afrika zurück.«
    »Ich habe gehört, dass Sie seit vielen Jahren in Kenia leben.«
    »Seit August 1982. Unsere Familie besitzt ein großes Anwesen und Ländereien an der Grenze zu Uganda. Ich habe in Südafrika studiert und bin dann nach Nairobi gegangen, um als Arzt zu arbeiten. Schauen Sie.«
    Ein neues Bild. Manfredi im weißen Kittel, umringt von Hunderten farbigen Eingeborenen und applaudierenden reichen Bürgern. Eine Mischung aus Medizinmann und Heiligem. Er stand vor einem weißen Gebäude, vor dem ein Band gespannt war: »Krankenhaus von Nairobi – Einweihung der neuen Station für Infektionskrankheiten – 25. Dezember 2005«.Vor ein paar Monaten also.
    »Mit der finanziellen Unterstützung meines Vaters konnten wir eine neue Krankenstation für die Behandlung von Infektionskrankheiten errichten. Leider vermehren sich Infektionen in Afrika genauso rasant wie Mücken, aber wir wollen dieser vorprogrammierten Auslöschung von Menschenleben Schritt für Schritt entgegenwirken. Und wann immer ich einen Kongress in Europa besuche, mache ich einen Abstecher nach Rom, um ein bisschen Zeit mit meinem Vater zu verbringen.«
    Balistreri betrachtete ihn und fragte sich, wie das möglich war. Konnte der Sieg über ein Trauma eine Person zu einem anderen Menschen machen? Denn genau so war es. Er war ein anderer Mensch.
    Manfredi erzählte ihm alles mit großer Ruhe. Nach Ullas Tod hatte sein Vater beschlossen, ihn aus Rom wegzubringen, auf das große Familienanwesen in Kenia. Später verschaffte er ihm einen Platz in einer Luxusklinik, wo er von den besten Psychiatern und ästhetischen Chirurgen Südafrikas behandelt wurde. Dann Medizinstudium in Kapstadt und Forschungen zu den schlimmsten Krankheiten unter den Bewohnern der Wüstendörfer und Hochebenen. Menschliche Beziehungen kamen in der Erzählung nicht vor. Weder Frau noch Kinder. Nur der Vater.
    »Ich bin verblüfft«, murmelte Balistreri. »Ich muss ehrlich gestehen, dass …«
    »Ich weiß«, unterbrach ihn Manfredi mit seiner ruhigen Stimme. »Es war ein Wunder. Und wer weiß, wenn das alles nicht passiert wäre, säße ich vielleicht immer noch in meinem abgedunkelten Zimmer, mit meinen Postern, meiner Musik und meinem verunstalteten Gesicht …«
    »Der Preis war allerdings zu hoch«, sagte Balistreri.
    Manfredi ließ die Bemerkung in der Luft schweben. Über die ins grüne Halbdunkel des Sonnenuntergangs getauchte Terrasse sausten die Schwalben hinweg.
    »Ulla war sehr unglücklich. Es war ein Fehler, meinen Vater zu heiraten, aber als fromme, praktizierende Katholikin wusste sie nicht, wie sie da wieder rauskommen sollte.«
    »Ihre Mutter war Opfer der Oberflächlichkeit vieler Menschen. Vor allem der meinen. Ich glaube nicht, dass Sie mir das verzeihen können.«
    Manfredi ließ seinen azurblauen Blick über die Bäume schweifen, hinüber zu der zweiten Villa. Die Fenster im zweiten Stock waren alle geschlossen. Balistreri versuchte, nicht dort hinzusehen, und steckte sich eine weitere Zigarette an.
    »In der Tat habe ich Ihnen nicht verziehen.« In seiner Stimme schwang nur noch ein Hauch der früheren Arroganz mit. »Was haben Sie in all den Jahren gemacht, Dottor Balistreri?«
    »Ich habe Schlaftabletten genommen.«
    »Und jetzt haben Sie einen Grund mehr, nach der Wahrheit zu suchen.«
    »Giovanna Sordi.«
    »Genau. Das sind Sie eher sich selbst schuldig als mir.«
    In diesem Moment kam der Conte mit zwei druckfrischen Blättern Papier. Er reichte ihm das erste. In der Kopfzeile stand: Marius Hagi.
    »Er hat nur einmal für mich gearbeitet, im Frühling 1982. Es ging darum, für meine Frau eine Reise nach Auschwitz zu organisieren. Ulla interessierte sich damals für die Judenverfolgung und wollte verstehen, welche Rolle die katholische Kirche darin spielte, ob sie das Treiben der Nazis verhindert oder

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