Du bist das Boese
seiner Männer aufs Spiel setzen. Er hatte schon einen Toten zu betrauern. Der Kardinal mochte eine Art Heiliger sein, aber für Balistreri blieb er ein ganz normaler Mensch. Mit Geheimnissen und mit Schwächen.
»Das kann ich Ihnen wirklich nicht sagen, Eminenz.«
Er hatte den Eindruck, dass der Kardinal eher besorgt als gekränkt war. Sein Blick wanderte hinüber zu dem Balkon, auf dem sich in einer guten Stunde der Papst zeigen würde. Nachdem die jungen Priester gegangen waren, herrschte eine Stille, die diesen Örtlichkeiten angemessener war. Balistreri wurde klar, dass er viel verlangte, vielleicht zu viel.
Der Kardinal schob die Ärmel seines roten Gewands hoch, als wäre es ein schlichtes Hemd.
»Sie haben viel Arbeit, Balistreri. Ich werde versuchen, Sie diesmal weniger zu behindern.«
»Würden Sie denn sagen, dass Sie die Ermittlungen damals behindert haben, Eminenz?«, fragte Balistreri verwundert.
Wieder schweiften Alessandrinis Gedanken in die Ferne. Er war nicht der Typ, der sich grundlos Asche aufs Haupt streute.
»Vielleicht«, sagte er, doch er schien nicht die Absicht zu haben, das eingehender zu erklären.
»Wir waren verschiedener Ansicht. Und die Ihre hat sich als richtig erwiesen«, gab Balistreri zu.
»Ja, dessen bin ich mir nach wie vor sicher. Aber Sie wollten von mir wissen, ob Hagi friedfertig oder gewalttätig war. Ehrlich gesagt, weiß ich das nicht. Ich habe ihn höchstens dreimal mit Alina zusammen erlebt.«
»Aber Sie werden doch einen persönlichen Eindruck von ihm gehabt haben.«
Alessandrini sah ihn lächelnd an. »Wie ich sehe, haben Sie sich nicht sehr verändert. Wenn ich mich nicht täusche, haben wir schon früher darüber diskutiert, wie gefährlich persönliche Eindrücke in solchen Kontexten sein können.«
Balistreri nickte. »Das stimmt, aber ich bleibe dabei, dass diese Eindrücke einen Grund haben. Und mein Eindruck von Marius Hagi …«
Der Kardinal unterbrach ihn mit einer Geste. »Ich habe versprochen, Ihnen diesmal zu helfen, also werde ich Ihnen etwas über Marius Hagi sagen. Alinas Mann, der Mann, den ich kennengelernt habe, war ein Absolutist. Für ihn gab es nur gute und böse Menschen, das konnte man an seinen Augen ablesen. Er konnte es mit vier Männern aufnehmen, aber er war nicht der Typ, ein wehrloses Mädchen zu strangulieren. Das hätte er niederträchtig gefunden.«
»Und Alina? Und Anna Rossi?«
»Hagi liebte Alina wie eine Madonna. Anna Rossi habe ich nur wenige Male gesehen und dann erst wieder vor einem Jahr, bei der Beerdigung ihrer Tochter.«
»Bleibt Francesco Ajello.«
Eine kurze Pause, ein Anflug von Aversion, wie ihn dieser Name bei vielen auslöste.
»Francesco war ein sehr tüchtiger und vielversprechender junger Mann, der erfolgreich verschiedene Praktika absolvierte. Dann trennte er sich von seiner Verlobten und kehrte der Gemeinde den Rücken. Paul wird Ihnen gewiss mehr über ihn sagen können. Heute ist er mit unseren Waisen ans Meer gefahren, aber morgen müssten Sie ihn in San Valente antreffen.«
Es war halb zwölf. Er hätte sagen können, dass der Papst ihn erwartete, doch er tat es nicht.
»Würden Sie mir die Absolution erteilen, wenn ich eines Tages beichten sollte, Eminenz?«, fragte Balistreri und stand auf, um sich zu verabschieden.
Alessandrini legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Ja. Aber nur, wenn Sie aufrichtig bereuen.«
»Ornella Corona ist am Meer. Sie erwartet Sie nach dem Abendessen in ihrem Haus in Ostia«, eröffnete Corvu ihm um die Mittagszeit.
»In Ordnung. Dann nutze ich es aus, dass heute im Büro wenig los ist, und arbeite ein bisschen.«
»Und Angelo hat aus London angerufen. Er lässt Sie grüßen.«
»Aus London?«, wunderte sich Balistreri.
»Dottore, Sie leben wohl nicht auf diesem Planeten. Heute ist das Finale der Weltmeisterschaft im Texas Hold’em. Ab sechzehn Uhr live im Fernsehen, falls Sie es sich ansehen möchten. Angelo gehört zu den Finalisten.«
»Ist Margherita bei ihm?«, fragte er.
Corvu zeigte auf einen bereits geöffneten Brief auf seinem Schreibtisch. »Der ist von Margherita. Sie möchte ihren Urlaub um eine Woche verlängern. Und sie bittet um ihre Versetzung.«
Überrascht sah Balistreri zu dem kleinen Schreibtisch seiner Sekretärin. Nur ein Glas mit einer verwelkten Blume stand darauf, was er als schlechtes Vorzeichen deutete.
»Danke, Corvu. Du kannst jetzt mit Natalya essen gehen.«
»Möchten Sie, dass ich nach dem Essen wiederkomme?«
»Hör
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