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Du bist das Boese

Du bist das Boese

Titel: Du bist das Boese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Costantini
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beiden verdeckten Karten der Spieler zu sehen, zeigten zweimal Kreuz auf der Hand des Gegners. Er besaß die richtige Farbe schon vor dem River, der fünften und letzten Gemeinschaftskarte. Dioguardi hatte eine Pik-Vier und den Karo-Buben auf der Hand, also keine Chance, diese Runde zu gewinnen, egal, welche Karte der River noch brachte.
    Der Gegner machte seinen Einsatz, hoch genug, um Angelo davon abzubringen, die letzte Karte zu versuchen, für den Fall, dass er zwei Paare oder einen Drilling auf der Hand hatte. Eine Standardsituation. Balistreri stellte sich innerlich auf das obligatorische Check ein.
    Dann sah er, wie Angelo Dioguardi sich umdrehte und ihn aus dem Bildschirm heraus anstarrte. Zwei Dinge waren ihm sofort klar, mit absoluter Gewissheit. Dass sich Angelo an ihn wandte und dass er das Gleiche tun würde wie an dem Abend, als sie sich kennengelernt hatten: Call.
    Angelo Dioguardi wandte sich an ihn, Michele Balistreri. Mit dem einzigen Wort, mit dem er sich ihm gegenüber verständlich machen konnte.
    All-in. Alles oder nichts.
    Allen Anwesenden und Zuschauern war klar, dass Dioguardi verrückt geworden war. Er setzte den so gut wie sicheren WM -Titel sinnlos aufs Spiel. Der Dealer deckte die fünfte Karte auf: Herz-Neun. Dioguardis Gegner wurde blass, dachte lange nach und knetete die Hände. Er konnte aufs Ganze gehen und den unwahrscheinlichen Sieg versuchen. Oder die Chips, die vor ihm lagen, behalten und auf die nächste Hand hoffen. » Fold «, sagte er und schüttelte den Kopf.
    Angelo hatte den gleichen abwesenden, ungerührten Blick wie damals bei seinem Bluff an jenem ersten Abend bei Paola. Der Rivale sah ihn ein letztes Mal an, schüttelte den Kopf und warf die Karten hin.
    Angelo lächelte nicht einmal, als er sich den Pot holte. Bei der nächsten Hand kam der Freezeout. Dioguardi war Weltmeister.
    Als Balistreri das Präsidium verließ und sich zu Fuß auf den Heimweg machte, sank die Sonne bereits, aber der Asphalt hatte sich bei dieser ewigen schwülen Hitze aufgeheizt, und er schwitzte unerträglich. Das Klingeln des Handys riss ihn aus seinen Gedanken.
    »Corvu, du bist doch nicht etwa wieder ins Büro gegangen?«
    Corvu war nicht leicht aus der Ruhe zu bringen, aber das leichte Keuchen war nicht zu überhören. »Ich bin auf dem Weg. Wir brauchen schnell einen Wagen. Wo sind Sie gerade, Dottore?«
    Balistreri begriff sofort, dass etwas Schlimmes passiert sein musste. »Ich warte vor meiner Haustür auf dich«, sagte er, ohne Fragen zu stellen.
    Corvu kam fünf Minuten später.
    »Wir müssen nach L’Aquila. Heute Nachmittag wurde dort die Leiche eines Mädchens aufgefunden.«
    »Wieder eine Prostituierte?«
    »Nein, eine ausländische Studentin. Ihre Freunde haben sie vergangenen Sonntagabend während der WM-Feiern zum letzten Mal gesehen, aber sie haben keine Anzeige erstattet, weil das Mädchen am nächsten Tag von Rom aus in ihre Heimat zurückfliegen wollte.«
    »In Ordnung, Corvu. Ich verstehe nur nicht, was das mit uns zu tun hat.«
    »Sie heißt Selina Belhrouz. Die Schwester von dem Anwalt in Dubai.«
    Balistreri war wie versteinert.
    Ich habe den Pakt gebrochen. Der Waffenstillstand ist vorüber.
    Corvu trat aufs Gaspedal. Nach kaum einer Stunde erreichten sie ihr Ziel. Die Leiche war im Brunnen einer abgelegenen Hütte in der Nähe von Tesano gefunden worden, dem Dorf, aus dem Antonio Pasquali stammte. Balistreri hatte nicht vor, sich eingehender mit diesem Umstand zu beschäftigen, traf Pasquali dann aber an Ort und Stelle. Er war übers Wochenende dort, und die vielen Streifenwagen, die an seiner Villa vorbeigekommen waren, hatten ihn stutzig gemacht.
    Anders als sonst trug er ein offenes Jackett ohne Krawatte und war ziemlich aufgewühlt. »Was wollt ihr denn hier?«, fragte er Balistreri.
    »Wenn du nichts dagegen hast, erkläre ich dir das später unter vier Augen. Jetzt möchte ich mir erst einmal einen Überblick verschaffen.«
    »Dann beeil dich. Die Spurensicherung hat alle Proben genommen, die Leiche wird gleich abtransportiert. Ich warne dich aber schon mal vor …«
    Doch Balistreri war bereits auf dem Weg zu dem Brunnen, neben dem, bedeckt mit einem Tuch, die Bahre mit der Leiche des Mädchens stand. Er stellte sich dem zuständigen Kommissar vor.
    Es war unglaublich, wie sehr der Tatort Vasiles Hügel glich. Eine Lichtung, ein Wäldchen, ein baufälliger Schuppen, ein Brunnen. Nur wenige Kilometer von Dottor Antonio Pasqualis Landhaus entfernt. Es gab nicht

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