Du bist das Boese
Polizeipräsident wissen.
Als Balistreris Blick den von Pasquali kreuzte, begriff er, dass der eine Entscheidung getroffen hatte. Die Geschichte über die Stimme, die Ornella Corona und Selina Belhrouz gehört hatten, war nicht ohne Wirkung geblieben.
»Balistreri, ich gebe dir achtundvierzig Stunden, um den Täter dingfest zu machen. Wenn er erst einmal sitzt, können wir der Presse gegenüber einen Teil der Wahrheit andeuten, und sie werden uns die Lügen nachsehen.« Pasqualis Ton war kalt, ruhig, entschieden. Kein Raum für Zweifel oder Einwände.
Floris starrte ihn ungläubig an. »Verzeihen Sie, Dottor Pasquali. Wer soll denn dieser Täter sein, von dem Sie reden?«
Pasquali war nicht zum Scherzen zumute. »Er hat Einfluss auf die gesamte rumänische Gemeinde. Er hat nie ein Alibi. Er spricht Rumänisch und Italienisch. Er konnte mit Adrians Motorrad auf Vasiles Hügel hochfahren. Samanthas Mutter war 1982 mit seiner Frau befreundet. Nadia wohnte in seiner Wohnung. Die vier Straftäter, die drei Polizisten hingerichtet und auch Balistreri fast getötet hätten, waren seine Handlanger.«
»Aber wir haben keine Beweise«, versuchte der Polizeipräsident einzuwenden.
Pasquali fixierte Balistreri. »Finde die Beweise, Michele. Morgen Vormittag kannst du mit Vasile und den drei Roma sprechen, die Samantha getötet haben. Ich möchte, dass du Marius Hagi bis Freitag wegen mehrfachen Mordes festnagelst.«
Als Balistreri die Sitzung verließ, hatte er das unangenehme Gefühl, dass er Pasquali zu viel verraten hatte. Gleichzeitig hatte er ein schlechtes Gewissen, weil er ihm das Gefährlichste verschwieg.
»Ich hoffe, Sie haben einen sehr guten Grund, mich anzurufen.« Die Stimme klang ruhig, aber nicht sehr ermutigend.
»Wir müssen uns sehen«, flüsterte Pasquali.
»Das glaube ich weniger«, war die eisige Antwort.
»Sie sind zu weit gegangen, und dann auch noch so nah an meinem Haus!« Pasquali versuchte, seine Wut unter Kontrolle zu halten.
»Ein glücklicher Zufall.« Die Ironie war nicht zu überhören.
»Das muss ein Ende haben, sofort«, murmelte Pasquali verzweifelt.
»Was das angeht, stimme ich Ihnen zu. Ich kümmere mich darum. Halten Sie sich morgen bereit.«
Pasquali beendete das Gespräch, wandte sich dann dem Kruzifix zu und betete. »Vater unser, der du bist im Himmel …«
Er spürte den Blick Jesu auf sich ruhen. Es war ein schrecklicher Fehler gewesen, und nun hatte er das Spiel nicht mehr in der Hand. Vielleicht war das auch nie der Fall gewesen.
»… und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Amen.«
Ihm war bewusst, dass eine Unterredung mit dem Geschäftsführer der ENT eine weitere Provokation derjenigen darstellte, die ihm auf alle erdenkliche Art geraten hatten, die Finger davon zu lassen. Eine Provokation, die nicht ohne erneuten großen Ärger vonstattengehen konnte.
Es war jedoch, als hätte Giovanna Sordis Selbstmord jene Instinkte wiedererweckt, die mit der Zeit und den Schuldgefühlen eingeschlafen waren. Da halfen weder Antidepressiva noch Magentabletten oder maßvolles Rauchen und Trinken. Es half auch nichts mehr, früh und nur in Begleitung eines guten Buches ins Bett zu gehen. Und es half nichts, die ungewisse Konfrontation mit Gott, dessen Urteil er weder herbeisehen noch fürchten musste, endlos hinauszuzögern. Jetzt konnte nur noch helfen, was er schon als Kind immer getan hatte, egal, welchen Ärger ihm das eintragen mochte: die Wahrheit suchen. Ohne Kompromisse, notfalls mit Gewalt, auch wenn das sein Ende bedeutete.
Avvocato Ajello wirkte sehr entspannt, als Balistreri ihm zusammen mit Corvu am Vormittag einen Besuch auf dem Golfplatz abstattete, wo er soeben eine Runde mit seinem Sohn Fabio beendet hatte. Sie setzten sich zu viert an einen Tisch im Schatten.
»Es ist eindeutig zu heiß«, klagte Ajello und wischte sich mit einem parfümierten Tuch den Schweiß von der Stirn, während sein Sohn ein Getränk hinunterstürzte. »Dabei ist es erst halb elf.«
»Müssen Sie heute denn nicht arbeiten, Avvocato?«, fragte Corvu.
Ajello wischte den Gedanken genervt beiseite. »Wie Sie wissen, arbeite ich nachts. Gestern Abend bin ich allerdings zu Hause geblieben, damit Fabio und ich schon um sieben aufs Green konnten.«
Verstohlen beobachtete Balistreri den Jungen, der sich nicht für das Gespräch zu interessieren schien und am neuesten Palm-Modell herumfummelte.
»Was verschafft mir die Ehre? Haben Sie den Motorradfahrer
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