Du bist das Boese
waren?«
»Sie war völlig aufgelöst. Ulla brachte sich am Morgen nach meiner Verhaftung um.«
»Manfredi, ich muss dringend mit Ihrem Vater sprechen.«
»Ich fürchte, das geht erst morgen Abend. Mein Vater ist vor drei Tagen verreist. Er ist mit seinem Bruder Giuliano und meinem Cousin Rinaldo in Uganda. Sie sind auf dem Weißen Nil unterwegs, in einem Gebiet, das nicht einmal die Satelliten erreichen. Aber morgen Abend nimmt er von Nairobi aus einen Flug nach Frankfurt, wo wir uns Montagmorgen treffen wollen. Von dort reise ich weiter nach Afrika und er nach Rom. Dann können Sie ihn sehen.«
»Sie behaupten also, nach vierundzwanzig Jahren immer noch nicht zu wissen, was Ihr Vater an jenem Tag getan hat. Und von mir verlangen Sie, die Wahrheit herauszufinden?«, fragte Balistreri aufgebracht.
»Ob Sie es glauben oder nicht, wir haben nie wieder über Elisa Sordi gesprochen. Es ist, als hätte es sie nie gegeben. Er hat mich nicht gefragt, ob ich sie umgebracht habe, und ich habe ihn nicht gefragt, wie sie starb und von dort weggebracht wurde. Irgendjemand hat Elisa Sordi ermordet, nachdem ich bei ihr war, und Sie haben mich beschuldigt, weil das die einfachste Lösung war. Und Ulla sah keinen anderen Ausweg und brachte sich um.«
Balistreri sah ihm in die Augen. »Bereuen Sie gar nicht, was Sie Elisa Sordi angetan haben?«
Manfredi drehte sich um zum Fenster von Elisas Büro.
»Heute kann ich dieses Fenster wieder ansehen, Balistreri. Besser als Sie sogar. Ich musste nicht einmal umziehen, während ich wetten könnte, dass Sie es in all den Jahren vermieden haben, in diese Gegend zu kommen. Reue ist ein sinnloses Gefühl. Sehen Sie mich an und was ich alles für die Armen in Afrika getan habe. Während Sie nachts nicht schlafen konnten.«
Manfredi musterte ihn. In seinem Blick lag etwas, das viel schlimmer war als Hass, tiefer und schmerzvoller.
»Es wird Zeit, dass Sie sich nützlich machen, Balistreri, Sie sind ein trauriger Anblick. Sie sollten schlafen gehen, sich duschen und rasieren und morgen gut frühstücken. Wenn Ihr Geist in demselben Zustand ist wie Ihr Körper, sehe ich für das Mädchen wenig Hoffnung.«
Balistreri stand auf. An der Tür gab Manfredi ihm zum Abschied nicht einmal die Hand.
»Versuchen Sie wenigstens, dieses Mädchen zu retten, Balistreri. Wenn schon Ihre Seele nicht zu retten ist.«
Abend
Um zehn Uhr abends kehrte Balistreri erschöpft ins Büro zurück. Ajello war unauffindbar. Corvu hatte es bei ihm zu Hause versucht, aber seine Frau hatte gesagt, er sei übers Wochenende dienstlich unterwegs und sie könne ihn auch nicht erreichen. Alle Grenzposten, Häfen und Flughäfen hatten sie kontrolliert, nichts.
Balistreri entschied, noch einmal mit Hagi zu reden und ihm zu sagen, was sie alles unternommen hatten, um Fiorella Romani zu retten, falls sie denn noch lebte. Der Staatsanwalt sprach sich vehement dagegen aus, Hagi die vertraulichen Informationen weiterzugeben, die sie von Valerio und Manfredi bekommen hatten, aber Polizeipräsident Floris schlug sich auf Balistreris Seite. Er rief Avvocato Morandi auf seinem Handy an und schlug ihm ein informelles Gespräch im Gefängnishof vor, keine Anwälte, nur Balistreri und Hagi. Morandi zeigte sich kooperativ und wollte umgehend mit Hagi sprechen. Zehn Minuten später rief er Floris zurück, um ihm mitzuteilen, dass Hagi einverstanden sei.
Gegen elf brachten Corvu und Piccolo Balistreri mit dem Auto ins Regina Coeli. Sie mussten das Martinshorn einschalten, um durch den dichten Samstagabendverkehr zu kommen. In den Bars und Restaurants von Trastevere wimmelte es von braun gebrannten Menschen, die von den Stränden heimgekehrt waren, sich mit Feuchtigkeitslotion eingeschmiert hatten und nun nach Alkohol, Spaß und Abkühlung verlangten.
Balistreri war vollkommen erschöpft nach diesem langen Tag, der frühmorgens mit dem Flug nach Lecce zu Gina Giansanti begonnen hatte, aber die Rettung von Fiorella Romani gestattete keine Pause.
Hagi wartete in Handschellen im Gefängnishof. Balistreri bemerkte, dass sich sein Zustand in den vergangenen Stunden deutlich verschlechtert hatte. Er hustete heftiger und fast ununterbrochen. Hagis körperlicher Verfall vollzog sich in raschen Schritten, doch seine schwarze Seele gab nicht auf.
»Möchten Sie ein paar Schritte gehen, oder soll ich zwei Stühle bringen lassen?«, fragte Balistreri.
»Ich wirke wohl schon wie ein Sterbender, was? Und jetzt haben Sie Angst, dass es zu schnell
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