Du bist das Boese
dem Papst betet?«
Balistreri begriff, dass es vorbei war. Er hatte all seine Karten gespielt. Fiorella Romani war verloren.
Corvu und Piccolo kamen keuchend in den Hof gerannt.
»Valerio Bona hat sich am Mast seines Bootes erhängt«, stieß Corvu in einem Atemzug hervor.
Hagis Augen leuchteten interessiert. Sein krankes Gesicht verzog sich zu einem satanischen Grinsen.
»Da hat es endlich mal einer ernst genommen mit dem Bereuen, Balistreri.«
Balistreri verlor den Boden unter den Füßen.
Er hat doch selbst gesagt, dass der Allmächtige über ihn richten würde, nicht ich.
Er sah Hagi an. »Valerio Bona hat weder Elisa noch die anderen ermordet. Er hat nur …«
»Gelogen, wie alle. Eine schlimme Sünde. Aber nicht alle haben einen so hohen Preis dafür gezahlt wie ich. Nun ist der Tag der Abrechnung gekommen. Aber nicht Ihr lieber Gott wird darüber richten, Balistreri, sondern ich.«
»Signor Hagi, ich bin bereit, ebenfalls zu zahlen, egal, welchen Preis. Aber lassen Sie Fiorella Romani frei.«
Hagi lehnte sich gegen die Mauer. »Geben Sie mir noch eine Zigarette«, sagte er hustend.
Komischerweise milderte das Rauchen seinen Husten. Hagi spuckte einen Blutklumpen aus.
»Bis morgen Mittag will ich eine Antwort, Balistreri. Wenn Sie die richtige Antwort haben, kommt Fiorella Romani mit dem Leben davon. Aber seien Sie vorsichtig, ich bin nicht blöd. Wenn Sie versuchen, mich hereinzulegen, stirbt Fiorella.«
»Was soll ich tun?«
»Es gibt noch einen zweiten Grund dafür, warum der Kardinal Gina Giansanti dazu gebracht hat, zu lügen. Fragen Sie ihn, er soll seine Sünden vollständig beichten. Zeigen Sie, dass Sie auch außerhalb des Paradieses etwas taugen.«
Balistreri schickte Corvu und Piccolo ins Büro und verabredete sich mit ihnen für acht Uhr am nächsten Morgen. Als er nach diesem endlosen Tag allein das Gefängnis verließ, war Mitternacht vorbei. Die samstägliche Party an den Ufern des Tiber war auf ihrem Höhepunkt. Hupende Autoschlangen, junge Leute mit Bierflaschen und Eiswaffeln in der Hand, überfüllte Restaurantterrassen.
Es waren nur vierundzwanzig Stunden vergangen, seit er aus Linda Nardis Wohnung und vor sich selbst geflohen war. Er machte sich auf den Weg, schwankend vor Müdigkeit. Alle hatten ihn hereingelegt: Gina Giansanti, Cardinale Alessandrini, Manfredi, der Conte, Valerio Bona, Ajello. Sogar Angelo und Linda. Und nun irrte er durch ein Labyrinth, in dem Marius Hagi die Strippen zog.
Er musste schlafen und seine Gedanken sortieren, die das Chaos seiner Empfindungen durcheinandergewirbelt hatte, als wären es Spielkarten im Wind. Doch um Schlaf zu finden, musste er zur Ruhe kommen.
Diese Handynummer hatte er seit über zwei Jahren nicht mehr gewählt. Antonella ging nach dem ersten Klingeln dran. Sie war zu Hause, allein.
Sie empfing ihn in einem alten Jogginganzug, mit geschwollenen Lidern und Ringen unter den verweinten Augen. Trotz allem war Pasquali ein angenehmer und korrekter Chef gewesen, was nicht mehr so häufig zu finden war. Balistreri wusste, dass ihre Tränen nicht ganz berechtigt waren. Als Pasquali das Casilino 900 mit gezogener Pistole betrat, war er fest entschlossen, Marius Hagi zu töten und die ganze Angelegenheit unter den Teppich zu kehren. Doch jemand, der schlauer und mächtiger war als er, hatte anders entschieden und ihn in eine tödliche Falle gelockt. Das konnte er Antonella allerdings nicht sagen.
Als sie sah, in was für einem Zustand er sich befand, bugsierte sie ihn aufs Sofa, bettete seinen Kopf auf ihre Knie und bastelte einen ihrer Joints, die er früher, als sie noch ein Paar gewesen waren, stets empört zurückgewiesen hatte.
»In was für einer Stimmung war Pasquali in den letzten Tagen?«, fragte Balistreri.
»Wie du heute Abend. Bei Pasquali war ein schiefer Krawattenknoten oder ein krummer Scheitel ein ähnlich schlechtes Zeichen wie bei dir deine gegenwärtige Verlotterung.«
Antonella streckte den Arm nach einem Notizbuch auf dem Tisch aus.
»Ich habe Pasqualis Büro aufgeräumt, Michele. In einer Geheimschublade habe ich diesen Kalender gefunden.«
Ein schwarzes Notizbuch, so groß wie eine Pokerkarte. Ein Kalender von 2006. Balistreri musste an den Kalender des Zwergs denken, den sein Sohn ihm anvertraut hatte. Er hatte den Anstoß gegeben, den Fall ganz neu aufzurollen. Als er in Pasqualis Büchlein blätterte, fielen ihm fast schon die Augen zu. Er fand weder Namen noch Zahlen noch Notizen. Nur ein paar
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