Du bist das Boese
schon gesagt. Bis ich dich um fünf abgeholt habe, war ich die ganze Zeit mit Paola zusammen. Von Paola aus habe ich Elisa gegen halb drei angerufen, und sie hat mich beruhigt: Signora Gina würde die erledigte Arbeit um fünf zum Kardinal hochbringen, sodass ich gar nicht mehr vorbeikommen müsse. Danach habe ich nichts mehr von ihr gehört. Teodori hat dir vielleicht gar nicht erzählt, dass er Paola auch schon befragt hat. Er wollte genau wissen, wo ich wann war. Ich und du, Michele.«
Das waren also die Ermittlungen, die man Teodori zugestand. Valerio Bona, Angelo Dioguardi, sogar Commissario Michele Balistreri. Den armen Teufeln rückten sie auf die Pelle, die Unantastbaren ließen sie hübsch in Ruhe.
Es war höchste Zeit, eine andere Gangart einzulegen.
Am späten Nachmittag verließ ich Alberto. Gegen Abend kam ich bei der Klinik an. Die Villa Alba war ein abgelegener, idyllischer Ort, grün und ruhig.
Die Besuchszeit war längst vorbei. Der Empfang war nicht besetzt, nur eine alte Schwester war da. Meinen Dienstausweis hielt ich ihr nur flüchtig hin, damit sie sich meinen Namen nicht merken konnte.
»Ich bin wegen Claudia Teodori hier«, erklärte ich entschieden.
»Die Besuchszeit ist vorbei«, sagte sie freundlich, aber bestimmt.
»Verstehe. Ich möchte Sie auch gar nicht um eine Ausnahme bitten, aber wir brauchen eine Bestätigung der Ergebnisse der toxikologischen Untersuchung, und zwar sofort.«
»Aber die haben wir Ihnen doch gleich nach dem Unfall zugeschickt, kurz nach der Einlieferung.«
»Sie haben uns eine nicht vollständig lesbare Kopie geschickt. Der Staatsanwalt möchte, dass ich sie mit dem Original abgleiche.«
»Und das ist so dringend?«, fragte die Schwester ungläubig.
»In diesem Moment findet eine Besprechung statt, in der die Staatsanwaltschaft darüber berät, ob die Tat als fahrlässig oder vorsätzlich einzustufen ist. Dafür sind die toxikologischen Werte entscheidend.«
»Vorsätzlich? Das Mädchen stand unter Alkohol- und Drogeneinfluss. Meinen Sie etwa, sie ist absichtlich gegen den Baum gefahren, um ihre Freundin zu töten?«
Am Ende durfte ich das Krankenblatt schließlich einsehen. Als Claudia Teodori mit ein paar Hautabschürfungen eingeliefert wurde, war sie vollgestopft mit Amphetaminen. Sich in diesem Zustand ans Steuer zu setzen, war ungefähr so, als würde man mit geladener Doppelflinte in eine Menschenmenge ballern. Das wäre Vorsatz. Es sei denn, das Mädchen hatte keine Ahnung, was es zu sich genommen hat. Was zu beweisen war.
Montag, 19. Juli 1982
Als ich morgens pünktlich um acht in den Räumen der Mordkommission erschien, war ich darauf gefasst, Teodoris Strafpredigt über mich ergehen zu lassen. Vanessa schenkte mir ein Lächeln, während sie sich einen sehr langen Fingernagel mit schwarzem Lack anmalte. Es war das erste Mal, dass ich sie im Minirock sah.
Ich warf ihr einen schmachtenden Blick zu. »So elegant heute Morgen!«
»Ich habe eine Verabredung mit meinem Vermieter und bin mit der Miete im Rückstand«, sagte sie trocken, ohne mich anzusehen, und beendete ihr Werk.
Teodori saß in seinem Büro, vor einem dampfenden Cappuccino und einem frischen Croissant. Seine wässrigen Augen waren gelber als sonst und seine Gesichtshaut ganz fahl. Aber er war herzlich, fast schleimig. Irgendetwas wollte er von mir.
»Kommen Sie nur herein, Dottor Balistreri. Setzen Sie sich doch. Soll ich meine Sekretärin bitten, Ihnen etwas aus der Bar zu holen?«
Ich lehnte das Angebot ab. Sein plötzliches Wohlwollen war mir nicht geheuer.
»Es gibt eine Menge guter Nachrichten«, begann Teodori und tunkte sein Croissant in den Cappuccino, der prompt auf den Schreibtisch schwappte. »Wir haben die ersten Ergebnisse der Autopsie. Der Tod trat zweifellos schon am Sonntag ihres Verschwindens ein, spätestens in den ersten Stunden nach dem Finale. Wegen des schlechten Zustands der Leiche sieht der Rechtsmediziner sich nicht in der Lage, den Zeitraum weiter einzugrenzen, aber einen späteren Todeszeitpunkt schließt er angesichts der fortgeschrittenen Verwesung und der aktuellen Wassertemperatur des Tibers aus.«
Er machte eine Kunstpause. »Die Tat erfolgte also zwischen achtzehn Uhr dreißig, als Elisa Sordi die Via della Camilluccia verließ, und Mitternacht.«
Warum Teodori das für eine gute Nachricht hielt, leuchtete mir ein. Alle illustren Verdächtigen hatten ein Alibi, Valerio Bona nicht. Da Teodori so gut gelaunt war, dachte ich, das kleine Wagnis
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