Du bist das Boese
der sich nun Teodori zuwandte.
»Ich zweifle ein wenig an der Zweckdienlichkeit dieses Besuchs. Ich empfange Sie nur, weil jenseits des Tiber, wie ich vom Innenminister höre, der ausdrückliche Wunsch besteht, jede Verbindung mit dem traurigen Schicksal des Mädchens auszuschließen.«
Die Worte »jenseits des Tiber« sprach er mit leicht angewiderter Miene aus. Der Innenminister hatte den Conte um etwas gebeten, kleine Gefälligkeiten unter Mächtigen, und das alles wegen dieses Mädchens. Allein diese drei Wörter und seine Art, sie zu betonen, offenbarten die ganze Weltsicht des Conte. Ein einfaches Mädchen aus dem Volk, ein kleines Flittchen, hatte sich umbringen lassen, und der Mörder stammte mit Sicherheit ebenfalls aus dem Pöbel. Aus den hehren Sphären der Via della Camilluccia kam er jedenfalls nicht.
»Dafür möchte ich Ihnen aufrichtig danken, auch im Namen des Leiters der Mordkommission«, antwortete Teodori. »Wir werden uns kurz fassen.«
»Ich kann Ihnen eine halbe Stunde opfern, dann muss ich zu einer Abstimmung ins Parlament.«
»Dann möchte ich gleich zum Wesentlichen kommen. Kannten Sie Elisa Sordi, das Mädchen, um das es geht?«, begann Teodori.
»Valerio Bona, einer meiner Angestellten, gab mir ihren Lebenslauf. Ich empfahl sie dem Kardinal, ohne sie je kennengelernt zu haben. Normalerweise habe ich keinen direkten Kontakt zu diesen Leuten.«
Er sagte wirklich: »zu diesen Leuten«.
»Sie kannten sie nicht einmal vom Sehen? Sie arbeitete doch schon eine Weile hier«, mischte ich mich ein.
»Mag sein, dass ich ihr mal über den Weg gelaufen bin, aber offenbar ist sie mir nicht weiter aufgefallen. Wie Sie sicher gesehen haben, sind die beiden Villen deutlich voneinander getrennt.«
»Wir müssen Sie leider auch nach jenem Sonntag fragen.« Teodori war unsicher.
»Nur zu.« Der Conte wusste genau, worum es ging. Er wollte ihn nur noch stärker ins Schlingern bringen.
»Wir versuchen zu rekonstruieren, wo die Anwohner und die Angestellten des Anwesens sich an jenem Tag aufgehalten haben«, erklärte Teodori.
»Darf ich fragen, was das mit einem Verbrechen zu tun hat, das an einem völlig anderen Ort begangen wurde, und das von Menschen, mit denen wir nicht das Geringste zu tun haben?«
»Sehen Sie«, hob Teodori zu einer unterwürfigen Erklärung an, »es wäre für uns von großem Nutzen, wenn wir alles über den Tag des Verbrechens wüssten. Ob jemand das Mädchen gesehen hat und …«
»Wann ist es an besagtem Sonntag hier gewesen?«, fragte der Conte schroff. Er war nicht unhöflich, unterstrich aber mit jeder Geste, dass wir seine Zeit verschwendeten und er derjenige war, der das Ende der Unterhaltung bestimmte.
»Ihre Stechkarte wurde um elf gestempelt. Vorher war sie mit ihren Eltern in der Messe. Von dort ist sie dann mit öffentlichen Verkehrsmitteln ins Büro gekommen.«
»Da war ich bereits außer Haus. Ich hatte eine Sitzung im Hotel Camilluccia, fünf Minuten von hier. Um halb elf war ich dort und kam erst kurz nach fünf wieder zurück. Vor dem Anwesen traf ich auf Dottor Balistreri, der mit der Pförtnerin plauderte. Ich nahm eine Dusche, zog mich um und fuhr gegen Viertel nach sechs wieder fort, zusammen mit meiner Frau und meinem Sohn. Wenn ich mich recht erinnere, kamen Sie, Dottor Balistreri, zu diesem Zeitpunkt gerade mit Cardinale Alessandrini und Signor Dioguardi aus dem Haus.«
Ich machte eine zustimmende Geste, und der Conte sprach weiter. »Dieses Mal fuhr ich zu einer kurzen, vor geraumer Zeit geplanten Unterredung mit dem Innenminister und war wohl kurz vor Beginn des Endspiels wieder daheim, da ich viele Parteifreunde zum Abendessen eingeladen hatte. Bei meiner Rückkehr begegnete ich Cardinale Alessandrini, der zur selben Zeit eintraf. Meine Gäste erwarteten mich bereits. Wir sahen uns die Partie an und tranken zur Feier des Tages auf der Terrasse noch einen Schluck.«
Teodori sah mich gequält an. Er wusste nicht weiter, womit die Sache für ihn erledigt war.
Ich zauberte meinen liebenswürdigsten Tonfall hervor. »Haben Ihre Frau und Ihr Sohn Sie eigentlich zum Innenminister begleitet?«
Diese Frage stellte eine Wende in unserer Unterhaltung dar. Der Conte warf mir einen flüchtigen Blick zu, dann wandte er sich an Teodori. »Wenn ich Sie richtig verstanden habe, möchten Sie wissen, ob jemand von uns das Mädchen hier gesehen hat.«
»Hier oder woanders«, kam ich Teodori zuvor.
Diesmal versenkte der Conte seinen Blick in den meinen und
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