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Du bist das Boese

Du bist das Boese

Titel: Du bist das Boese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Costantini
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zu gut gefallen hatte, gab ihr eine falsche Telefonnummer, damit sie mich nicht ständig anrief, fuhr zurück in meine Einzimmerwohnung in Garbatella und schlief ein.
    Um die Mittagszeit wurde ich vom Telefon geweckt. Da ich dachte, dass es Teodori sei, gähnte ich unhöflich in den Hörer. Ich hatte mir einen Tag freigenommen und wollte nicht, dass mir irgendwer auf die Nerven ging.
    »Na, das ist ja eine nette Begrüßung. Hast du schlecht geschlafen, Mike?« Es war mein Bruder Alberto. Nur er durfte meinen Namen auf diese Yankee-Art verkrüppeln. Ich hatte völlig vergessen, dass er mich zum Mittagessen mit anschließender Pokerrunde eingeladen hatte. Seine Verlobte war bei ihren Eltern in Deutschland, und er musste an diesem Wochenende ausnahmsweise nicht arbeiten. Angelo und mich erwartete er zum Essen, danach sollte dann noch einer seiner Kollegen dazustoßen.
    Mein vorbildlicher Bruder konnte alles, selbst kochen. Ingenieurdiplom mit Auszeichnung, Führungsposition in einem internationalen Konzern, gute Beziehungen zu allen politischen Parteien außer der postfaschistischen, schönes Haus mit Terrasse und eine Verlobte, die seinen Sprösslingen eine perfekte Mutter sein würde. Eigentlich hätte ich ihn hassen müssen, doch ich liebte ihn über alles. Nicht nur, weil er mich aus dem Schlamassel gezogen hatte, sondern weil er es mich nie spüren ließ. Und weil seine Bescheidenheit nicht pures Kalkül war wie bei meinem Vater, die schöne Fassade der Arroganz. Nein, Alberto war in seinem tiefsten Innern bescheiden. Er glaubte fest daran, dass der Kompromiss die Quelle von Wohlstand und Zufriedenheit für alle war.
    Angelo war bereits dort, als ich ankam. Es machte ihnen Spaß, zusammen zu kochen, und sie ergänzten sich prima: Alberto der anspruchsvolle Chefkoch und Angelo der unverfälschte Pizzabäcker. Ich musste nur den Tisch decken, das Geschirr abräumen und in die Spülmaschine sortieren.
    Es gab Nudelsalat und Tomaten mit Mozzarella, dazu tranken wir Weißwein. Es war sehr heiß, aber die Terrasse besaß eine kleine Pergola.
    »Du siehst müde aus, Mike. Zu wenig geschlafen?« Die Frage meines Bruders entbehrte jeglicher Ironie. Er machte sich einfach Sorgen um mich, wie immer.
    »Es war zu heiß und zu laut. Zum Glück sind die Römer heute alle ans Meer gefahren. Letzten Sonntag sind ja viele wegen des Endspiels in der Stadt geblieben.«
    »Du kannst dir gar nicht vorstellen, was für Auswirkungen der Sieg unserer Nationalelf hat, Mike. Die Mehrwertsteuerbilanz lag Mitte Juli deutlich über der Prognose.«
    »Ein Land, in dem die Bürger ihre Steuern mit Blick auf die Fußballergebnisse zahlen, ist nicht gerade der Inbegriff der Zivilisation«, sagte ich.
    So ein Land hat es verdient, dass seine Polizeikommissare im Spider durch die verkehrsberuhigte Altstadt brettern, um Touristinnen aufzureißen.
    Wir redeten über Politik, denn so konnten wir über uns reden, ohne uns wechselseitig zu kritisieren. Wie man die Welt sieht, so ist man schließlich, und meine Welt war noch ziemlich schlicht. Auf der einen Seite die Ehrlichen und Arglosen, die meist die armen Schlucker waren. Auf der anderen die Gauner und Betrüger, auch die vielen in Anzug und Krawatte, die in den Aufsichtsräten, im Parlament, in der öffentlichen Verwaltung und im Vatikan saßen.
    In meiner Jugend hatte ich davon geträumt, dass dieses System explodieren und die korrupten Verbrecher, die Italien verpesteten, unter dem Schlamm von Schande und Verderben begraben möge. Doch der Einzige, der scheiterte, war ich selbst. Ich ließ mich auf den Geheimdienst ein, nachdem ich begriffen hatte, dass meine neofaschistischen Freunde als Marionetten der Unantastbaren unschuldige Menschen ermordeten und unsere einstigen Ideale, an die ich immer noch glaubte, verrieten. Dann wurde im Jahr 1978 Aldo Moro entführt, und ich musste feststellen, dass auch der Geheimdienst mit den Unantastbaren unter einer Decke steckte. An diesem Punkt gab es für mich nur noch einen Weg, um nicht endgültig abzudriften: mich offiziell in den Dienst des Staates zu stellen.
    »Ich werde mich nie in diesen Mist hineinziehen lassen, Alberto. Was mich betrifft, ruhe ich mich noch ein paar Jahre aus und gehe dann zurück nach Afrika, jage Löwen und kutschiere dämliche Touristen durch die Gegend.«
    Alberto schüttelte halb besorgt, halb amüsiert den Kopf. »Mike, nach dem Krieg war Italien ein armes und zerstörtes Land. Jetzt ist es wieder auferstanden. Die Politiker,

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